Die handwerklichen Grundlagen des Vorkurses sollen im Liebig-Lab eingesetzt werden, um in einer möglichst forschungsnahen Arbeitsweise typisch chemische Fragestellungen zu bearbeiten. Forschungsnah heißt: Geeignete Methoden auszuwählen um die jeweilige Frage wirksam zu lösen, die erhaltenen Ergebnisse kritisch zu werten und durch weitere Versuche zu bestätigen, sowie beim Scheitern der Bestätigung die Ursache der Abweichungen zu ermitteln. Der Gang der Untersuchung wird jeweils protokolliert.
Im Liebig-Lab werden Projekte bearbeitet, in denen grundlegende Kenntnisse zum stofflichen Aufbau der Natur erarbeitet werden, um diese dann anschließend auf eine konkrete Fragestellung zu übertragen.
Ablauf: Praktikum von 13:00–17:00 Uhr. Alles, was gemacht wurde, bleibt am Platz stehen. Der Gruppenassistent geht ab ca. 16:00 Uhr herum und prüft stichprobenartig, ob das praktisch Ausgeführte verstanden wurde (zum Beispiel Reaktionsgleichungen aufstellen lassen). Gegen 16:30 Uhr gibt es eine Schlussbesprechung, wo wiederkehrende Schwierigkeiten besprochen werden und wo kurz über die gerade abgeschlossenen Forschungsprojekte berichtet wird.
Im Text: Mor-489K28.9 heißt „Mortimer, Seite 486, Kapitel 28.9“.
Soweit möglich, werden zur Einführung eines Projekts Abschnitte aus dem „Mortimer“ angegeben. Die Seitennummern beziehen sich auf die 9. Auflage:
C. E. Mortimer, U. Müller: Chemie. 9. Auflage, Thieme 2007, ISBN 978-3-13-484309-5. Den „Mortimer“ können Sie innerhalb des Münchner Hochschulnetzes auch als „E-Book“ lesen.
Im Text: Jan111:112Kasten heißt Jander-Blasius, Kasten auf den Seiten 111–112.
Der „Jander-Blasius“ ist unser Praktikumsbuch. Dort ausgeführte Versuchsvorschriften werden nur zitiert, sie sind in diesem Skript nicht immer ausführlich ausgearbeitet:
J. Strähle, E. Schweda: Jander · Blasius – Einführung in das anorganisch-chemische Praktikum. 15. Auflage, Hirzel 2005, ISBN3-7776-1364-9.
Zum Kennenlernen der Projekte dienen Vorversuche, bei denen kurz Ausführung und Beobachtung protokolliert werden, außerdem wird eine Reaktionsgleichung formuliert.
Die anschließenden Übungsanalysen dienen zum Kennenlernen der Methoden der Vollanalyse und dazu, die dort benötigten Maßlösungen herzustellen. Übungsanalysen werden korrigiert und für die Übereinstimmung mit dem Sollwert werden Punkte vergeben (im Wintersemester 2008/2009 gelten hier die Regeln des allgemeinen Chemischen Grundpraktikums, nämlich Note 1 bei einer Abweichung bis 1 mg vom Sollwert, Note 2 bei 2 mg, Note 3 bei 3 mg, Note 4 bei 4 mg, Nachanalyse ab 4,1 mg).
Vollanalysen betreffen Proben aus der realen Umwelt. Hier trägt (während der Pilotprojekts nur) die sorgfältige Bearbeitung zur Praktikumsnote bei.
Forschungsprojekte werden in der Regel in Dreiergruppen bearbeitet. Jeder Praktikant nimmt typischerweise an zwei Forschungsprojekten teil. Themenvorschläge finden Sie bei den einzelnen Projekten. Überlegen Sie sich, wann und was Sie bearbeiten wollen und besprechen Sie dies zuvor mit Ihrem Assistenten, damit dieser koordinieren kann, welche Gruppe was macht.
Das Ergebnis wird in einem kurzen gemeinsamen Protokoll zusammengestellt und es wird kurz darüber berichtet. Am Schluss des Protokolls wird zusammengestellt, wie die erwähnten Stoffe und Phänomene auf Englisch heißen.
vMit der Kohlensäure wird eine mehrbasige schwache Säure eingeführt. Kalk und Calciumhydrogencarbonat eignen sich zu Betrachtungen rund um die Begriffe Löslichkeit, Löslichkeitsprodukt und pH-Abhängigkeit der Löslichkeit. Die Bestimmung der „Wasserhärte“ führt zur Komplexometrie.
Die benotete Übungsanalyse ist eine komplexometrische Calciumbestimmung.
Die vielfältige und praktisch bedeutende Redoxchemie des Wasserstoffperoxids und seiner Derivate bildet den roten Faden durch das Projekt, bei dem Grundlegendes rund um Redoxreaktionen wie Oxidationszahlen, Redoxgleichungen, pH-Abhängigkeit von Redoxreaktionen vermittelt wird.
Die benotete Übungsanalyse ist eine iodometrische Peroxidbestimmung.
Ähnlich wie beim Kalk geht es auch in diesem Projekt um einen natürlichen Stoffkreislauf, hier ist es der Stickstoffkreislauf. Ein wichtiger Ausschnitt ist die Hydrolyse von Harnstoff durch Urease. Als Metalloenzym gibt die Urease Anlass, die typische Ligandausstattung eines Übergangsmetalls kennenzulernen.
Es gibt zwei benotete Übungsanalysen: eine komplexometrische und eine gravimetrische Nickelbestimmung.
Die benotete Übungsanalyse ist eine Ammoniumacetat-Bestimmung .
Das Praktikum wird von zwei Klausuren begleitet, die erste nach dem Vorkurs, die zweite nach dem Liebig-Lab. Der Termin für die Klausur ist derselbe wie für das alte Grundpraktikum, nämlich am 30. Januar 2009, von 13:00–14:30 Uhr im Liebig-Hörsaal. Für die Liebig-Lab-Teilnehmer wird es eigene Aufgaben geben.
Die Praktikumsnote wird aus den folgenden Teilnoten gebildet:
Note der ersten Klausur (Vorkursklausur) zu 1/4,
Note der zweiten Klausur (am Ende des Praktikums) zu 1/4,
Note für die Übungsanalysen zu 1/6,
Note für das Laborjournal zu 1/6,
Note für Protokoll und Vorstellung des Forschungsprojekts zu 1/6.
Am Ende der Pilotphase wird beraten, ob und wie die Vollanalysen stärker gewichtet werden können. Für die Pilotphase wird nur deren Protokollierung bewertet.
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Das Münchner Trinkwasser ist „hart“, es ist kalkreich. Der gelöste Kalk soll aus den Kalkalpen stammen (der größte Teil des Münchner Wassers kommt aus dem Mangfalltal), dabei kann Wasser unmöglich die bei der Analyse der Wasserhärte gefundenen Kalkmengen durch einfaches Auflösen aufgenommen haben. Wäre Kalk so gut wasserlöslich, wie es die recht hohe Menge in einem harten Trinkwasser, vor allem aber in manchen Mineralwässern, glauben macht, wäre die Lage von Muscheln mit ihrem äußeren Kalkskelett desolat und würde dem Versuch entsprechen, den Münchner Wohnungsmarkt durch den Bau von Iglus zu entspannen. Hinter dem natürlichen Kreislauf des Kalks steckt ganz offensichtlich mehr, und zwar Säure-Base-Chemie.
Calcit und Aragonit, die wichtigsten Calciumcarbonat-Modifikationen: Calciumcarbonat (Kalk) ist als Calcit und Aragonit eines der häufigsten Minerale der Erdkruste. Calcit kommt als Kalkstein, porös als Kreide, oder, nach Einwirkung von Druck, als Marmor vor. Im ebenfalls gebirgsbildenden Mineral Dolomit sind die Calcium-Ionen des Calcits zur Hälfte durch Magnesium-Ionen ersetzt. Im menschlichen Organismus kommt Calcit als Biomineral im Otoconium („Ohrsand“) im Gleichgewichtsorgan vor, die viel größeren Otolithe („Ohrsteine“) von Fischen bestehen aus Calcit und/oder Aragonit, während im Perlmutt der Muschelschale Calcit und Aragonit miteinander abwechseln. Die größte biogene Kalkmenge liegt in den Exoskeletten von Kalkalgen vor.
Kalk schmilzt beim Erhitzen nicht, er zersetzt sich: In der Technik findet Calciumcarbonat schon seit vorchristlicher Zeit (ca. 1500 v. Chr.) als Rohstoff für Mörtel Anwendung im Bauwesen. Grundlage dieser Verwendung ist das „Kalkbrennen“ und „Kalklöschen“, dem das „Abbinden“ und „Aushärten“ nach der Anwendung folgt. Calcit dient als „Marmor“ seit Jahrtausenden als Baustoff und Werkstoff für unzählige Kunstwerke. Bei der Erhaltung dieser Bau- und Kunstwerke ist die Reaktivität des Kalks gegenüber Säure das Hauptproblem: saurer Regen greift Marmor stark an und führt zu dessen „Verwitterung“.
Der größte Teil der Wasserhärte geht beim Erhitzen in Kalkabscheidungen über: Calciumcarbonat fällt beim Erhitzen von hartem Trinkwasser aus, wobei die lästigen Kalkablagerungen in Wasserkochern, Kaffeemaschinen, etc. entstehen („Carbonathärte“, „temporäre Härte“). Calcium- und Magnesiumsalze, die beim Erhitzen des Trinkwassers unverändert bleiben, ergänzen die temporäre um die „permanente Härte“. Die Summe aus temporärer und permanenter Härte ist die Gesamthärte des Wassers. Während die Wasserhärte auf der einen Seite für die Ernährung bedeutsam ist, führt sie auf der anderen zum Ausfallen von „Kalkseifen“ bei der Textilwäsche. Hier ist die Enthärtung des Wassers notwendig, die durch Ionenaustausch oder Komplexierung der Calcium- und Magnesium-Ionen gelingt.
Lernziele: Protolyse schwacher Säuren und Basen, Acidimetrie und Alkalimetrie, Kohlensäure, Löslichkeitsprodukt, Chelatkomplexe, Komplexometrie, Kalk und Kalkkreislauf, Wasserhärte, Gesamthärte und Carbonathärte.
Einführende Literatur: Mor-486K28.9 sowie Allgemeines zu Säuren und Basen im Mortimer; Jan-111:112Kasten, Jan-350K3.2, Jan-427K3.4.5.
Salze entstehen bei der Reaktion von Säuren mit Basen in oft wässriger Lösung. Dabei kann die Säure und/oder die Base durch ihr Anhydrid ersetzt sein. Umgekehrt lassen sich Salze oft in Säure- und Baseanhydrid zerlegen. Die Vorversuche sind den Bezügen Säure-Säureanhydrid und Base-Baseanhydrid gewidmet.
Salze werden thermisch zersetzt, wenn eine der entstehenden Komponenten bei der angewendeten Temperatur flüchtig ist. „Komponenten“ sind Base- und Säureanhydrid, falls ein Salz auf dem Papier aus diesen formuliert werden kann. Calciumcarbonat ist ein Beispiel: CaCO3 = CaO + CO2.
Versuch
Calciumcarbonat wird nach Jan-199V2, Teil 1, gebrannt.
Was erwarten Sie, wenn anstelle von CaCO3 das homologe CaSiO3 gebrannt wird?
Base- und Säureanhydride reagieren oft (Calciumoxid, Phosphorpentaoxid, Schwefeltrioxid), aber nicht immer (Magnesiumoxid, Siliciumdioxid) bereits unter Umgebungsbedingungen mit Wasser zum Hydroxid oder zur Säure. Bei Calciumoxid klappt es, der Vorgang heißt in der Technik „Kalklöschen“.
Versuch
Calciumoxid wird nach Jan-199V2, Teil 2, mit Wasser umgesetzt.
Woran könnte es liegen, dass das homologe Magnesiumoxid, das als Magnesia zum Trockenhalten der Hände beim Geräteturnen und beim Felsklettern dient, keine alkalische Reaktion in Wasser hervorruft?
Bei dem Versuch finden nacheinander zwei wichtige Reaktionen statt: (1) Die erste Reaktion, die Entstehung von Kalk aus Löschkalk und Kohlendioxid, beschreibt das „Erhärten“ von Kalkmörtel. (2) Das anschließende Auflösen des entstandenen Calciumcarbonats in kohlendioxidhaltigem Wasser sowie die Umkehrung der Reaktion ist die Grundlage des Kalkkreislaufs der Natur.
Versuch
Calciumhydroxid wird mit Kohlendioxid nach Jan-112V1 umgesetzt. Änderung: Blasen Sie, anstelle von CO2 aus einem Kippschen Apparat durchzuleiten, vorsichtig Atemluft durch die filtrierte Calciumhydroxidlösung. Das beim anschließenden Erhitzen entweichende Kohlendioxid wird nach der im Vorkurs erlernten Nachweisreaktion für Carbonat mit einem Tropfen Bariumhydroxid-Lösung nachgewiesen.
Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen für die einzelnen Schritte.
Das anfängliche Erhärten von Kalkmörtel wird gefördert, wenn in einem Neubau offene Holzfeuer unterhalten werden. Warum wirkt das besser als eine elektrische Beheizung?
Stalagmiten und Stalaktiten entstehen in einer Tropfsteinhöhle im Sinne des zweiten Versuchsteils. In einer Tropfsteinhöhle wird jedoch nichts erhitzt. Wieso kommt es trotzdem zur Reaktion?
Der wichtigste mineralische Bestandteil von Leitungswasser ist Calciumhydrogencarbonat, das sowohl mit Säuren als auch mit Basen reagiert. Trinkwasser zeigt daher sowohl bei Säure- als auch bei Basezusatz ein neutralisierendes Verhalten (Versuch in Anlehnung an H. J. Berthold, M. Binnewies, Chemisches Grundpraktikum 1995, VCH, Versuch 53, S. 90–91).
Versuch
Zwei von vier 200-mL-Bechergläsern werden zur Hälfte mit entmineralisiertem Wasser gefüllt, die beiden anderen mit Leitungswasser. Zu jeder Probe wird gleich viel Universalindikator-Lösung hinzugefügt. Nun gibt man zu je einer Probe des entmineralisierten Wassers und des Leitungswassers zwei Tropfen 1 m NaOH, zu den beiden anderen zwei Tropfen 1 m HCl. Notieren Sie die vom Indikator angezeigten pH-Werte.
Formulieren Sie die Gleichungen für die beiden Reaktionen, die den Säure- und den Baseverbrauch im Leitungswasser beschreiben.
Münchner Trinkwasser enthält im Mittel 5 mmol L−1 Hydrogencarbonat-Ionen. Rechnen Sie aus, wieviel Tropfen 1 m HCl nötig sind, um alles Hydrogencarbonat zu Kohlensäure zu protonieren (1 Tropfen = 0,05 mL).
Die Bestimmung des Calciumgehalts erfolgt durch komplexometrische Titration mit Ethylendiamintetraacetat (edta). Die Methode kann nach Anpassung von pH-Bereich und Indikator zur quantitativen Bestimmung vieler Metall-Ionen verwendet werden. Zuerst wird hierzu eine eingestellte 0,1 m edta-Maßlösung hergestellt.
Versuch
Zur Herstellung von 1 L einer 0,1 m edta-Maßlösung werden 0,1 mol edta, zum Beispiel als Dinatrium-ethylendiammoniumtetraacetat-Dihydrat (Na2H2edta·2H2O) eingewogen, im 1-L-Messkolben gelöst und auf 1 L aufgefüllt. Die Maßlösung wird in einer PE-Flasche aufbewahrt. Zur Faktorbestimmung wird eine Zinkgranalie genau abgewogen und in einem 250-mL-Messkolben in wenig halbkonz. Salzsäure gelöst. Anschließend wird auf 250 mL aufgefüllt. Von dieser Lösung werden 25 mL abpipettiert und mit verd. Natronlauge annähernd neutralisiert (an der Eintropfstelle ausfallendes Zinkhydroxid löst sich beim Umschwenken gerade noch) und auf ca. 100 mL aufgefüllt. Anschließend wird eine Indikatorpuffertablette zugegeben. Nach dem Auflösen der Indikatortablette wird mit 2–3 mL 25 %iger Ammoniaklösung ammoniakalisch gemacht und mit der edta-Lösung von rot nach grau/grün titriert. Der gesuchte Gehalt der edta-Lösung in mol L−1 ist dann gleich der Molzahl Zink in der abgemessenen Probe dividiert durch den Verbrauch an Maßlösung bei der Titration.
Mit der eingestellten edta-Lösung wird anschließend der Calciumgehalt bestimmt.
Versuch
Zur Bestimmung des Calciumgehalts wird eine 50-mL-Probe mit 50 mL Wasser verdünnt. Anschließend wird eine Indikatorpuffertablette zugegeben. Nach deren Auflösen werden 2–3 mL 25 %ige Ammoniaklösung zugefügt und von rot nach grau/grün titriert. Gehen sie zur Berechnung des Calciumgehalts davon aus, dass Calcium-Ionen und edta im gleichen Molverhältnis miteinander reagieren.
Formulieren Sie die Reaktionsgleichung für die Umsetzung von Calcium-Ionen mit edta-Lösung.
Die Titration wird in so stark alkalischer Lösung ausgeführt, dass Magnesium anstelle eines edta-Komplexes ein schwerlösliches Hydroxid bildet. Erwarten Sie, dass in Abwesenheit von Magnesium der Calciumgehalt auch in saurer Lösung bestimmt werden kann?
Die „Härtebildner“ Magnesium und Calcium kommen als Hydrogencarbonat und Sulfat im Trinkwasser vor und bestimmen dessen Verwendbarkeit: so ist ein hoher Härtegrad für die Ernährung erwünscht, führt aber zu technischen Problemen durch die unerwünschte Bildung unlöslicher Calciumverbindungen (Kalk, „Kalkseife“, Calciumsalze von Säuren in Nahrungsmitteln, zum Beispiel bei Tee). Der Gehalt an Härtebildnern ist daher eine wichtige Kennzahl, die von Wasserwerken publiziert wird.
Die folgende Methode erfasst die Summe aus Calcium- und Magnesium-Ionen.
Versuch
Eine 50-mL-Probe wird auf 100 mL verdünnt und mit 2 mL 15 %iger Natronlauge sowie 10 Tropfen des Calconcarbonsäure-Indikatiors versetzt. Unter starkem Rühren wird mit edta-Lösung von violettrosa nach violettblau titriert. Die Lösung wird auf dem Dampfbad erhitzt. In die heiße Lösung werden vorsichtig 2–5 mL 30 %iger Wasserstoffperoxidlösung zugegeben, bis die Lösung nahezu farblos ist (ein leichter Blaustich kann bleiben). Danach wird der Magnesiumhydroxid-Niederschlag durch Zutropfen von 2 m Salzsäure gerade gelöst und nach Zugabe einer Indikatorpuffertablette sowie 2 mL 25 %iger Ammoniaklösung das Magnesium mit edta-Lösung bis zum Farbumschlag von rot nach grün titriert.
Trotz europäischer Harmonisierungsbeschlüsse ist die Angabe der Wasserhärte in Grad Deutscher Härte (°dH) immer noch üblich. 1 °dH entspricht dabei der Summe der Magnesium- und Calcium-Ionen in 100 g Wasser, ausgedrückt als mg Calciumoxid. In der Praxis: multiplizieren Sie die Millimolzahl Magnesium und Calcium in 100 g Wasser mit der Molmasse von Calciumoxid (M = 56 g mol−1), um die Gesamthärte Ihrer Analysenlösung in °dH anzugeben.
Die folgende Bestimmung erfasst alle Bestandteile eines Brauch- oder Trinkwassers, die oberhalb des Umschlagspunktes von Methylorange zugesetzte Säure binden.
Versuch
Bestimmung der Gesamtalkalität nach Jan-518.
Welche Trinkwasserbestandteile führen zu einem Säureverbrauch (Reaktionsgleichungen)?
Die folgende Bestimmung erfasst alle Bestandteile eines Brauch- oder Trinkwassers, die oberhalb des Umschlagspunktes von Phenolphthalein zugesetzte Säure binden.
Versuch
Bestimmung der Teilalkalität nach Jan-519.
Welche Trinkwasserbestandteile führen zu einem Säureverbrauch (Reaktionsgleichungen)?
Die Salzbildung aus Metallhydroxid und Säure, Metallhydroxid und Säureanhydrid, Metalloxid und Säure, oder aus Metalloxid und Säureanhydrid, ist eine ebenso grundlegende Gruppe von Reaktionen wie die Umsetzungen von Salzen mit einer Komponente aus demselben Katalog (Säure, Säureanhydrid, Base, Baseanhydrid) unter Verdrängung eines schwächeren oder entfernbaren Bindungspartners. Wird CaCO3 („CaO·CO2“) bei ausreichend hohen Temperaturen mit SiO2 erhitzt, so wird das leichtflüchtige Säureanhydrid CO2 vom nicht flüchtigen Säureanhydrid SiO2 aus dessen Salz verdrängt (formulieren Sie die Gleichung). Dieses Prinzip wird bei der industriellen Synthese von Zement angewandt. Ein Säureanhydrid wie SO2 wird durch Ca(OH)2 (und Sauerstoff) gebunden. Dies wird zur Abtrennung des bei der Verbrennung schwefelhaltiger fossiler Brennstoffe entstehenden umweltschädlichen Schwefeldioxids aus Kraftwerkabgasen genutzt (Rauchgasentschwefelung )– es wird „Chemiegips“, CaSO4, erhalten.
• Skizzieren Sie den natürlichen Kalkkreislauf. • Beschreiben Sie, wie es zur Bildung von Tropfsteinhöhlen kommt. • Beschreiben Sie, wie wie die Carbonathärte in unser Trinkwasser kommt. • Beschreiben Sie, wo geographisch gesehen hartes, wo weiches Wasser vorkommt.
Es soll eine Natriumcarbonatlösung titriert werden. Im Unterschied zu den bisherigen Titrationen, bei denen lediglich der Endpunkt durch einen Indikatorumschlag sichtbar gemacht wird, erhält die Gruppe ein pH-Meter, das die Aufnahme einer vollständigen Titrationskurve ermöglicht. (1) In ihrer Präsentation soll die Gruppe den Hintergrund der Vollanalyse erläutern. (2) Es soll herausgearbeitet werden, dass die Neutralisationskapazität von Trinkwasser keine Pufferung darstellt. (3) Der Puffer des Blutplasmas soll beschrieben werden.
Eine Dreiergruppe hat drei Vollanalysen erledigt, es liegen drei Ergebnisse vor. Diese drei klassischen Analysen sollen durch eine moderne instrumentell-analytische Methode verifiziert werden. In Ihrer Präsentation soll die Gruppe (1) die Grundlagen der ICP-Analyse vorstellen, (2a) die Übereinstimmung beider Methoden darstellen, oder (2b) die Ursachen von Abweichungen untersuchen. Die Gruppe, die dieses Projekt gewählt hat, erfährt ihr Vollanalyseergebnis erst später. Die ICP-Analyse wird durch N. N. angeleitet.
Im biochemisch/medizinischem Umfeld werden unter „reaktiven Sauerstoffspezies“ meist schädliche Sauerstoffspezies verstanden, die bei Stoffwechselvorgängen entstehen können. Zu ihnen gehören sowohl freie Radikale (das Hyperoxid-Radikal-Anion, O2•−, das Hydroxyl-Radikal, HO•, und das Hydroperoxid-Radikal, HOO•) als auch nichtradikalische reaktive Verbindungen (Wasserstoffperoxid, H2O2; Ozon, O3; Hypochlorit, ClO−) sowie angeregte Sauerstoffmoleküle (Singulett-Sauerstoff). Aufgrund ihrer Schädlichkeit für den Organismus werden Sie durch Enzyme entgiftet – ein Stoff wie H2O2 wird aber auch gezielt durch Organismen synthetisiert und eingesetzt (zum Beispiel durch holzabbauende Pilze). In gleicher Weise stellen diese Sauerstoffspezies aufgrund ihrer Reaktivität auch wichtige Reaktionspartner in der technischen und synthetischen Chemie dar. Ein wichtiger Zweig der technischen Chemie befasst sich mit der Produktion von Bleich- und Waschmitteln, in denen vor allem Peroxide und Chlor-freisetzende Verbindungen Verwendung finden. Sie werden sich vor allem mit der Chemie des Wasserstoffperoxids und in geringerem Maße mit der des Hypochlorits auseinandersetzen. Es sollen dabei die folgenden Fragen untersucht werden: Worauf beruht die hohe Reaktivität? Wie sieht die Redoxchemie von Wasserstoffperoxid aus? Welche qualitativen und quantitativen Methoden gibt es, Wasserstoffperoxid nachzuweisen?
Chemische Prozesse, die auf der Aufnahme und Abgabe von Elektronen beruhen, sind in der Technik und in der Natur von zentraler Bedeutung. Die Energiegewinnung in der Atmungskette beruht zum Beispiel auf einer kaskadenartig abgestuften Reihe unterschiedlicher Redoxsysteme. Dabei kann es zu einer Fehlleitung von Elektronen kommen, da in der Atmungskette zwischen 1- und 2-Elektronen-Redoxprozessen gewechselt wird. So kann beim Kontakt von Sauerstoff mit 1-Elektronen-Reduktionsmitteln wie NADH oder Ferredoxinen das Hyperoxid-Radikal O2•− entstehen. Hyperoxid (in der Biochemie meist „Superoxid“ genannt) ist eine reaktive Sauerstoff-Spezies, die zellschädigende Eigenschaften besitzt. (Die hohe Reaktivität werden Sie in Versuch 2.1 untersuchen.) Die Zelle besitzt daher Enzyme, die Superoxiddismutasen, die das Hyperoxid-Radikal-Anion zu Wasserstoffperoxid (H2O2) und Sauerstoff umwandeln.
Das durch Superoxiddismutasen erzeugte Wasserstoffperoxid ist ebenfalls zelltoxisch und wird daher durch weitere Enzyme, den Katalasen, in die untoxischen Produkte Sauerstoff und Wasser disproportioniert. Als Beispiel wird Ihnen die Häm-Katalase begegnen, deren aktives Zentrum dem sauerstofftransportierenden Häm-Zentrum im Hämoglobin ähnlich ist, und aus einem Porphyrin-Ringsystemen und einem Fe-Atom in der Oxidationsstufe +III besteht. Die H2O2-Disproportionierung erfordert einen 2-Elektronen-Redoxprozess (Formulieren Sie diese Disproportionierung mit Gesamt- und Teilreaktionen). Dabei wird die Eisen(III)-Ruheform des Enzyms um zwei Elektronen oxidert, die entstehende Verbindung kehrt anschließend wieder in die Ruheform zurück (Katalysatoren gehen unverändert aus der Reaktion hervor).
Wasserstoffperoxid ist eine schwache Säure und bildet zwei Reihen von Salzen, die Hydroperoxide und die Peroxide. Die in reiner Form blaue Flüssigkeit kommt als 30 %ige wässrige Lösung in den Handel („Perhydrol“). Wasserstoffperoxid zersetzt sich unter Wärme- und Lichteinwirkung sowie in Gegenwart katalytischer Mengen an Schwermetallen und Alkalien. Der dabei zunächst in statu nascendi (in der Entstehung) befindliche Sauerstoff ist besonders reaktiv und hat daher eine hohe Bleich- und Desinfektionswirkung. In den Handel kommt Perhydrol deshalb mit Stabilisatoren wie Phosphorsäure.
Wasserstoffperoxid stellt für aerobe Organismen nicht nur ein Zellgift dar, so wird es zum Beispiel kurz nach der Befruchtung von der Eizelle gebildet, um das Eindringen weiterer Spermien zu verhindern. Auch Pflanzen nutzen Wasserstoffperoxid als Signalmolekül für die Induktion der Pathogenabwehr. Des weiteren spielt H2O2 auch in der technischen und synthetischen Chemie eine wichtige Rolle als Desinfektionsmittel (Abwasseraufbereitung) und Bleichmittel. In seiner Funktion als Bleichmittel findet es Anwendung im Haare blondieren und zum Zähne bleichen, dabei wird es oft als an Carbamid gebundenes Peroxid verwendet. In seiner Funktion als Waschmittel findet es meist Einsatz als Perborat. Sowohl aus Perboraten wie auch aus Percarbonaten wird H2O2 bei Temperaturen oberhalb 60 °C freigesetzt. In Waschmitteln, die für das Waschen bei niedrigerer Temperatur verwendet werden, sind Aktivatoren enthalten, so dass bereits bei 30 °C eine Bleichwirkung entfaltet wird.
Lernziele: Bestimmung von Oxidationszahlen, Aufstellen von Redoxgleichungen, Erkennen von Oxidationsmittel und Reduktionsmittel, Erkennen der pH-Abhängigkeit von Redoxreaktionen, Reaktionen des Wasserstoffperoxids, Disproportionierung und Komproportionierung, Wirkungsweise von Bleichmitteln, Redoxtitration
Einführende Literatur: Mor-229K14.2, Mor-220K14.3, Jan-28K1.1.5
In den Vorversuchen werden vor allem die typischen Eigenschaften des Wasserstoffperoxids untersucht.
Das Hyperoxid-Radikal ist ein besonders reaktives Teilchen. Es ist in wässriger Lösung instabil und disproportioniert bei der Umsetzung eines Hyperoxids mit Wasser in Sauerstoff und Wasserstoffperoxid, das durch eine charakteristische Orangefärbung nach Zusatz von Titanylsulfat nachgewiesen werden kann. „Titanylsulfat“ ist Titan(IV)-oxid-sulfat, TiOSO4.
Versuch
1 Spatelspitze Kaliumhyperoxid, KO2, bildet bei der Zugabe zu 25 mL Wasser sofort Sauerstoff und Peroxid. Weisen Sie das entstandene Peroxid nach Jan-108V6 als Peroxotitanyl-Kation nach.
Formulieren Sie die Gesamt- und Teilgleichungen der Zersetzung von Kaliumhyperoxid. Wann wird eine Redoxreaktion als Disproportionierung bezeichnet?
Durch eine Superoxiddismutase wird diese ohnehin rasche Reaktion um mehrere Größenordnungen beschleunigt, was die Brisanz des Superoxids unterstreicht. Unter Berücksichtigung der Aciditäten (pKA-Werte: HO2 4,8; H2O2 12) kann die katalysierte Reaktion für den physiologischen pH-Wert formuliert werden gemäß
2 O2•− + 2 H+ → O2 + H2O2
Starke Säuren wie die Schwefelsäure protonieren das Peroxid-Anion zu Wasserstoffperoxid.
Versuch
Die Darstellung erfolgt nach Jan-106V1 (halber Ansatz). Weisen Sie das entstandene Wasserstoffperoxid nach Jan-108V7 als Chromperoxid nach.
Formulieren Sie die Reaktionsgleichung? Warum kann mit Natriumperoxid keine Reinsynthese erfolgen?
Die Umsetzung von Bariumperoxid mit Schwefelsäure ist chemiehistorisch von Bedeutung: Die erste Darstellung von wässriger Wasserstoffperoxid-Lösung erfolgte so 1818 durch J. L. Thénard. Eine Reinsynthese erfolgte erst 76 Jahre später durch R. Wolffenstein, da bis zu diesem Zeitpunkt angenommen wurde, dass Wasserstoffperoxid instabil sei. Die Reinsynthese bereitete Schwierigkeiten, da Schwermetall- und Festkörperspuren die Zersetzung fördern.
Wozu zersetzt sich reines Wasserstoffperoxid leicht (Reaktionsgleichung)?
Wasserstoffperoxid wird gemäß Jan-81V2 mit MnO2 zersetzt.
Versuch
In ein 50-mL-Becherglas wird ca. 1 cm hoch die aus dem vorigen Versuch gewonnene Wasserstoffperoxid-Lösung gefüllt und mit einer Spatelspitze Braunstein versetzt. Man weise das entstandene Gas mittels Glimmspanprobe nach.
Formulieren Sie die Zersetzungsreaktion.
Bei der Elektrolyse von Kaliumhydrogensulfat fällt an der Anode Kaliumperoxodisulfat, K2S2O8, als farbloses Pulver aus. Durch Hydrolyse von Kaliumperoxodisulfat kann Wasserstoffperoxid gewonnen werden.
Versuch
Eine konzentrierte, saure KHSO4-Lösung wird hergestellt, indem 15 g KHSO4 in 50 mL 1 m Schwefelsäure gelöst werden. Die Elektrolyse wird in einem Becherglas durchgeführt, welches mit einer Kochsalz-Eis-Kältemischung gekühlt wird (die Lösung muss während des gesamten Versuches in einem Temperaturbereich von 0–7 °C gehalten werden). Es wird für 2–3 Stunden bei ca. 3 A an platinierten Platinelektroden elektrolysiert (dabei kommt es zu einer heftigen Gasentwicklung an der Kathode). Nach der Elektrolyse wird die Suspension im Glasfilter abgesaugt und mit eiskaltem Wasser gewaschen. Als Produkt wird eine farblose, feinkristalline Substanz erhalten, die anschließend wieder in Wasser gelöst wird. Die Lösung zeigt die die typische Nachweisreaktion auf Oxidationsmittel, indem nach Kaliumiodid-Zugabe Iod entsteht.
Worauf bei der Versuchsdurchführung zu achten ist: Bei zu geringer Konzentration an Hydrogensulfat-Ionen würde anstelle des gewünschten Produkts Sauerstoff an der Anode entstehen. Bei zu hoher Temperatur steigt die Löslichkeit des Produktes K2S2O8 wieder an und es hydrolysiert zu Hydrogensulfat und dem Salz der „Caroschen Säure“, HSO5−, die mit Wasser zu Wasserstoffperoxid und Hydrogensulfat weiterreagiert. Bei zu niedrigen Temperaturen bildet sich an der Anode Ozon.
Welches Gas entwickelt sich an der Kathode? Formulieren Sie die Reaktionsgleichung.
Was passiert, wenn Sie verdünnte Schwefelsäure (ohne Kaliumhydrogensulfat) elektrolysieren?
Wasserstoffperoxid wurde früher über die Elektrolyse von höher konzentrierter Schwefelsäure gewonnen. Dabei bildet sich an der Anode das Peroxodisulfat-Anion S2O82−. Nach Hydrolyse des Peroxodisulfat-Ions erhält man die Schwefelsäure zurück, daneben entsteht Wasserstoffperoxid. Formulieren Sie die Teil- und Gesamtgleichungen der Elektrolyse sowie die Hydrolysegleichung. Ist die Hydrolyse-Reaktion eine Redoxreaktion?
Die Elektrolyse zu Peroxodisulfat ist historisch von Bedeutung, da so Wasserstoffperoxid großtechnisch hergestellt werden konnte. Heutzutage erfolgt die großtechnische Darstellung über das Anthrachinon-Verfahren.
Katalasen zersetzen das Zellgift Wasserstoffperoxid zu Wasser und Sauerstoff. Katalasen finden sich in allen aerob lebenden Organismen wieder.
Versuch
In zwei Reagenzgläser werden 5 mL 30 %ige Wasserstoffperoxidlösung gefüllt. In das eine wird eine Spatelspitze Katalase aus Rinderleber zugegeben, das andere dient als Vergleich.
Beschreiben Sie ihre Beobachtung. Erklären Sie den Begriff Katalyse allgemein. Skizzieren Sie die Wirkungsweise eines Katalysators am Beispiel der Katalase.
In den beiden vorhergehenden Versuchen wurde die katalysierte Disproportionierung von Wasserstoffperoxid untersucht. Stoffe, die zur Disproportionierung neigen, sich selbst also oxidieren und reduzieren können, wirken anderen Stoffen gegenüber entweder als Reduktions- oder als Oxidationsmittel, je nach dem elektrochemischen Potential des gewählten Stoffes.
Ist ein Redoxpotential pH-abhängig wie zum Beispiel bei CrIII/CrVI (warum ist das so?), kann H2O2 sogar gegenüber demselben Redoxpaar in Abhängigkeit vom pH-Wert einmal als Oxidations- und einmal als Reduktionsmittel auftreten. Prüfen Sie dies durch Reaktion von H2O2 mit Chrom(III)-Salzlösung und Chromat(VI)-Lösung bei verschiedenen pH-Werten.
Versuch
Je 5 mL gesättigter Chrom(III)-sulfat-Lösung werden in zwei Reagenzgläser gegeben; je 5 mL gesättigter Kaliumdichromat(VI)-Lösung werden in zwei weitere Reagenzgläser gefüllt. Zu jeder Lösung wird 1 Tropfen 30 %ige H2O2-Lösung zugefügt. In das erste un dritte Glas geben Sie tropfenweise 1 M Schwefelsäure, in das zweite und vierte tropfenweise 2 M Natronlauge. Ermitteln Sie durch pH-Papier den pH-Wert, bei dem sichtbar eine Redoxreaktion stattfindet.
Bei welchem pH-Wert wirkt das H2O2 als Reduktionsmittel, bei welchem als Oxidationsmittel? Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen und erklären Sie das beobachtete experimentelle Ergebnis!
Die folgende Reaktion kann zur quantitativen Analyse von Wasserstoffperoxid dienen.
Versuch
Wasserstoffperoxid wird gemäß Jan-107V3 mit Kaliumpermanganat umgesetzt.
Stellen Sie die Teil- und Gesamtgleichungen auf. Erklären Sie an Hand der Redoxpotentiale und des Zusammenhangs zwischer freier Standardenthalpie ΔG und der Potentialdifferenz ΔE, warum zu erwarten ist, dass die Reaktion freiwillig abläuft.
In der Technik werden Chlor, Chlordioxid, Wasserstoffperoxid und andere Peroxo-Verbindungen sowie Ozon als Bleichmittel eingesetzt. Wasserstoffperoxid gehört dabei zu den Stoffen, die in der „grünen Chemie“ (engl. green chemistry, fr. chimie douce) als ökologisch unbedenkliche Oxidationsmittel eingestuft werden, da es nur Wasser hinterlässt und nicht etwa Salzsäure, Chlorid, oder chlorierte Verbindungen, wie dies bei der Verwendung von Chlor geschieht.
Versuch
Wasserstoffperoxid wird gemäß Jan-108V4 umgesetzt.
Stellen Sie die Teil- und Gesamtgleichungen auf. Erklären Sie an Hand der Redoxpotentiale, weshalb die Reaktion von Wasserstoffperoxid und Iod freiwillig abläuft.
„Carbamid-Peroxid“ ist ein Wasserstoffperoxid-basiertes Bleichmittel, bei dem die Bildung einer Additionsverbindung zwischen dem Peroxid und Harnstoff eine stabilere Formulierung vorliegt als bei einer Peroxid-Lösung. Die korrekte Bezeichnung ist Wasserstoffperoxid–Harnstoff (1/1), H2O2·(NH2)2CO.
Versuch
Eine gesättigte Harnstofflösung wird hergestellt, indem man 5 g Harnstoff in der Kälte in möglichst wenig Wasser löst (Kochsalz/Eis-Kältemischung). Dazu werden 10 mL 30 %ige H2O2-Lösung gegeben. Es fallen farblose, durchscheinende Kristalle des Addukts aus. Stehenlassen im Kühlschrank erhöht die Ausbeute. Man nutscht die Kristalle ab, wobei man das Produkt mit einer 1:1-Mischung aus Eiswasser und Methanol wäscht, die ca. 0,1 %ig an Citronensäure ist: Wasserstoffperoxid–Harnstoff (1/1) ist unter einem pH-Wert von ca. 4 stabil. Achtung: Da man mit möglichst konzentrierten Lösungen in der Kälte arbeiten muss, tritt das Problem auf, dass anstelle des gewünschten Produkts Harnstoff auskristallisieren kann. Diesen erkennt man aber an den typischen nadelförmigen Kristallen, während Wasserstoffperoxid–Harnstoff (1/1) kompakte Kristalle bildet. Einige Kristalle werden in Wasser gelöst und mit Titanylsulfat-Lösung auf Wasserstoffperoxid untersucht.
Betrachten Sie die Struktur von „Carbamidperoxid“. Worin könnte die Stabilisierung des Wasserstoffperoxids in der Additionsverbindung begründet sein?
Auschnitt aus der Kristallstruktur (Cambridge-Datenbank, Eintrag UREXPO11) von Wasserstoffperoxid–Harnstoff (1/1). Rot: Sauerstoff, blau: Stickstoff, grau: Kohlenstoff, kleine Kreise: Wasserstoff.
Die quantitative Analyse von Oxidationsmitteln gelingt durch iodometrische Titration. Hierzu wird zuerst eine 0,1 m Natriumthiosulfat-Lösung hergestellt und mit Kaliumiodat eingestellt.
Versuch
0,1 m Natriumthiosulfat-Lösung wird nach Jan413K3.4.3.3 hergestellt und ihr Faktor mit Kaliumiodat als Urtiter bestimmt.
Waschmittel für weiße Textilien enthalten als Bleichmittel Perborat und/oder Percarbonat. „Perborat“ wird oft sehr unglücklich als Natriumperborat-Monohydrat, NaBO3·H2O, oder Natriumperborat-Tetrahydrat, NaBO3·4H2O, formuliert. Das „Monohydrat“ enthält jedoch kein Kristallwasser; es handelt sich vielmehr um Natrium-tetrahydroxido-bis(μ-peroxido)-diborat, dessen Anion cyclisch aufgebaut ist:
Das „Tetrahydrat“ ist tatsächlich das Hexahydrat dieses cyclischen Diborats, nämlich Na2[B2(OH)4(μ-O2)2]·6H2O.
Zeigen Sie, wie man von den realistischen Formeln zu den weniger hilfreichen Formulierungen „NaBO3·H2O“ und „NaBO3·4H2O“ kommt.
„Percarbonat“ ist ein ähnlich wie Wasserstoffperoxid–Harnstoff (1/1) eine Additionsverbindung, hier aus Natriumcarbonat und Wasserstoffperoxid. Beide Stoffe, Perborat und Percarbonat, setzen im alkalischen Milieu einer Waschflotte Wasserstoffperoxid frei. Der Gehalt einer Lösung an Peroxid kann durch iodometrische Titration bestimmt werden. Als Übungsanalyse wird der Gehalt einer Lösung an Peroxodisulfat bestimmt. Beachten Sie bei der Versuchsplanung, dass die Probelösung vor der Titration drei Stunden stehen muss!
Versuch
Eine 50-mL-Probe der aufgefüllten Analyselösung wird in einem Erlenmeyerkolben mit ca. 2 g Kaliumiodid und 10 mL verd. Schwefelsäure versetzt. Der Kolben wird verschlossen (Parafilm) und drei Stunden im Dunklen stehengelassen. Nach dieser Zeit wird der Kolben geöffnet, eventuell am Rand anhaftendes Iod mit Wasser in den Kolben gespült und mit Thiosulfatlösung titriert. Wenn die Lösung nur noch schwach gelb ist, wird wenig Stärkelösung zugefügt und zügig zu Ende titriert.
Stellen Sie die Reaktionsgleichung auf und berechnen Sie die den Peroxid-Gehalt der Lösung als mg S2O82− im 250-mL-Messkolben.
Noch einige Zusatzinformationen aus der Praxis: Viele Verschmutzungen wie die Farbstoffe aus Rotwein, Kaffee, Tinte, Früchten oder Kosmetika können allein durch Waschen mit Tensiden nicht aus den Textilien entfernt werden. Beim Bleichen werden die konjugierten π-Elektronensysteme organischer Farbstoffe oxidativ zerstört. Grundlage des Bleichvorgangs ist die Freisetzung von Wasserstoffperoxid, dessen Bleichwirkung oft auf die Bildung von „nascierendem Sauerstoff“ zurückgeführt wird. Durch die Bleiche wird zusätzlich eine keimtötende Wirkung erzielt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist Natriumperborat das wichtigste Bleichmittel in Waschmitteln (1907 kam Persil auf den Markt, es enthielt Perborat und Silicat). In der alkalischen Waschflotte zerfällt Perborat zu Borat und Wasserstoffperoxid, das in Abhängigkeit vom pH-Wert als konjugierte Base, den Hydroperoxid-Ionen, vorliegt. Eine praktisch nutzbare Bleichwirkung wird erst bei Temperaturen oberhalb von 60°C erzielt. Unterhalb dieser Temperatur müssen Bleichaktivatoren zugesetzt werden. Schwermetallionen führen zu einer katalytischen Zersetzung von Perborat. Um oxidative Faserschädigungen durch diese unkontrollierte Zersetzung zu verhindern, werden Stabilisatoren (z.B. Magnesiumsilicate oder organische Phosphonate) zugesetzt, welche die im Leitungswasser in Spuren enthaltenen Schwermetallionen (Kupfer-, Mangan- und Eisen-Ionen) absorbieren oder komplexieren sollen.
Neben Perboraten und anderen Peroxo-Verbindungen finden Chlor, Chlordioxid und Ozon Anwendung als Bleich- und/oder Desinfektionsmittel. Zur Desinfektion von Wasser, zum Beispiel in Schwimmbädern, wird oft Chlor eingesetzt – entweder als Gas oder durch die Reaktion von Salzsäure und Natriumhypochlorit. In der Vollanalyse bestimmen Sie den Gehalt entweder einer Hypochlorit- oder einer Perborat-Lösung.
Versuch
1,5–2 g der Perborat enthaltenden Probe wird auf der Analysenwaage eingewogen und in einem 250-mL-Messkolben mit ca. 200 mL Wasser und 10–15 mL verdünnter Schwefelsäure versetzt. Nachdem sich das Perborat gelöst hat, wird bis zur Marke aufgefüllt. Eine 25-mL-Probe der aufgefüllten Analyselösung wird in einem Erlenmeyerkolben mit ca. 2 g Kaliumiodid und 10 mL verd. Schwefelsäure versetzt, anschließend werden zwei Körnchen Ammoniumheptamolybdat zugesetzt. Der Kolben wird verschlossen und fünf Minuten stehengelassen. Nach dieser Zeit wird mit Thiosulfatlösung titriert. Wenn die Lösung nur noch schwach gelb ist, wird wenig Stärkelösung zugefügt und zügig zu Ende titriert.
Stellen Sie die Gleichung für die Reaktion zwischen Perborat und Iodid auf. Berechnen Sie die Menge an Perborat im 250-mL-Messkolben in mg/mL.
Versuch
Eine 25-mL-Teilprobe der ausgegebenen Hypochlorit-Lösung werden auf ca. 100 mL aufgefüllt und mit ca. 2 g Kaliumiodid versetzt. Anschließend wird mit 2 m Salzsäure angesäuert und weiter wie bei der Faktorbestimmung mit Kaliumiodat verfahren.
Stellen Sie die Gleichung für die Reaktion zwischen Hypochlorit und Iodid sowie zwischen Iod und Thiosulfat auf. Berechnen Sie die Menge an Hypochlorit im 250-mL-Messkolben in mg/mL.
Wasserstoffperoxid ist metastabil und neigt zur Disproportionierung. Es findet als Oxidationsmittel breite Verwendung, es kann aber auch reduzierend wirken. Im Organismus kann es durch partielle Reduktion von Sauerstoff entstehen. Da es für die Zelle ein Gift darstellt, wird es mit Hilfe von Katalasen in zu Sauerstoff und Wasser umgesetzt. In der Technik findet es Anwendung als Bleich- und Waschmittel, oft in Form von Perborat oder Percarbonat. Die quantitative Analyse erfolgt mittels Permanganometrie, der qualitative Nachweis beruht auf der Bildung des Peroxotitan-Kations oder des Chromperoxids.
Welche Verbindungen bilden die Alkalimetalle beim Verbrennen an der Luft? Wie reagieren diese mit Wasser?
Wasserstoffperoxid wird im Allgemeinen als Oxidationsmittel verwendet. Stellen Sie die Reaktionsgleichungen für die Reaktionen von Wasserstoffperoxid mit (a) salpetriger Säure und (b) schwefliger Säure in saurer Lösung und (c) mit Chrom(III) in alkalischer Lösung auf.
Gegenüber stärkeren Oxidationsmitteln wirkt Wasserstoffperoxid reduzierend. Formulieren Sie die Reaktion von H2O2 mit (a) Permanganat, (b) Bleidioxid, und (c) Ozon und bestimmen Sie die Oxidationszahlen.
Der pKS-Wert von Wasserstoffperoxid beträgt 12. Welches Mengenverhältnis von H2O2 und HO2− enthält eine Waschflotte vom pH-Wert 11?
Die quantitative Bestimmung von Peroxodisulfat ist wegen der Wartezeit unbefriedigend. Versuchen Sie, die Hydrolyse des recht stabilen Peroxodisulfat-Ions zu beschleunigen (Erhitzen, saure/alkalische Katalyse), die Elektronenübertragung von Iodid auf Peroxodisulfat zu beschleunigen, oder auf dem Weg ½ Peroxodisulfat + X → ½ Sulfat + X+, X+ + I− → X + ½ I2 eine Beschleunigung zu erzielen. Wiegen Sie jeweils bequem zu titrierende Peroxodisulfatproben genau ein und ermitteln Sie den iodometrisch bestimmbaren Anteil.
Zwei Nickelatome, fixiert in einer Proteinmatrix, zerstören ca. die Hälfte der Harnstoff-Weltproduktion, wenn sich Bodenbakterien über diesen wichtigsten synthetischen Stickstoffdünger hermachen. Um etwas dagegen zu tun, muss man die Regeln des Spiels kennen. Einige dieser Regeln lernen Sie hier kennen, nämlich (1) die Chemie des Harnstoffs, (2) die Chemie des Nickels und (3) die Charakteristika der Enzymkatalyse. Speziellere Tricks ergeben sich aus der Struktur der Urease und dem Katalysecyclus – beides wird in den Forschungsprojekten berührt und später in Ihrem Studium vertieft.
Pflanzen nutzen Stickstoff: Stickstoff ist als Baustein von Nukleinsäuren, Aminosäuren, Peptiden und Proteinen ein essentielles Bioelement. Im natürlichen Kreislauf zirkuliert ein Vorrat an reaktiven Stickstoffverbindungen (Ammoniumsalze und Nitrat sowie Stickstoff in organischen Verbindungen). Dieser wird durch zwei Prozesse ergänzt, durch die der reaktionsträge Luftstickstoff in den Kreislauf eingeschleust wird. (1) In Blitzen entstehen aus dem Stickstoff und dem Sauerstoff der Luft Stickoxide, die mit Wasser und weiterem Sauerstoff zu Salpetersäure reagieren, die mit dem Regen in den Boden kommt und dort neutralisiert wird; das so eingetragene Nitrat kann von den Pflanzen genutzt werden. (2) In Symbiose mit Schmetterlingsblütlern (Fabaceae) lebende Bodenbakterien sowie einige Blaualgen assimilieren Luft zu Ammonium-Stickstoff.
Tiere scheiden Stickstoff-Verbindungen aus: Menschen und Tiere nehmen Stickstoffverbindungen in Form von Proteinen mit der Nahrung auf. Der Stickstoff-Stoffwechsel von Säugern endet mit der Ausscheidung von Harnstoff (Harnsäure bei Vögeln, Insekten, Reptilien und terrestrischen Schnecken, Ammoniak bei Fischen). Die düngende Wirkung von natürlichem Harnstoff aus der Viehhaltung nutzt der Mensch seit der Sesshaftwerdung zu Beginn der Jungsteinzeit vor ca. 10.000 Jahren. Tierische Harnstoffausscheidungen werden dabei durch Destruenten wie Bakterien und Pilze durch Ammonifizierung wieder abgebaut. Ein Beispiel ist die ureasekatalysierte Hydrolyse des Harnstoffs durch Bodenbakterien. Nitrifizierende Bakterien können einen Teil der Ammonium-Ionen in einem zweistufigen aeroben Prozess unter Energiegewinnung über die Stufe des Nitrits zu Nitrat oxidieren, welches von Pflanzen ebenfalls aufgenommen werden kann. Durch Einbau in Biomoleküle schließt sich dort der Stickstoffkreislauf.
Ernten stört die Stickstoff-Bilanz: Der natürliche Stickstoffkreislauf wird durch Landwirtschaft gestört. Die Ernte verhindert, dass der Pflanzenkörper durch Absterben den Bakterien bereitsteht, die den darin enthaltenen Stickstoff dem Kreislauf wieder zuführen. Da bei der Aussaat der nächsten Pflanzengeneration zunehmend weniger Stickstoff zur Verfügung steht, verarmt der Boden allmählich an Nitraten und Ammonium. Dies führte in Europa während der „kleinen Eiszeit“ zu Beginn der Neuzeit zu Hungersnöten, obwohl die seit dem Mittelalter praktizierte Dreifelderwirtschaft einer Bodenauslaugung entgegenwirken sollte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts führte das zunehmende naturwissenschaftliche Interesse an der Aufklärung von Stoffkreisläufen Liebig und Sprengel dazu, ihr „Minimumgesetz“ aufzustellen. Dieses besagt, dass das Wachstum von Pflanzen durch die knappste Ressource, dem „Minimumfaktor“, limitiert wird. Wird ein Nährelement hinzugegeben, das bereits im Überfluss vorhanden ist, so führt dies nicht zum Ausgleichs des Minimumfaktors. Stickstoff ist dabei das mengenmäßig wichtigste zirkulierende Element.
Synthetischer Harnstoff ist der wichtigste Stiffstoffdünger: Zum Ausgleich des entnommenen Stickstoffs stand zunächst neben Tierexkrementen Chilesalpeter zur Verfügung. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte dann erstmals Luftstickstoff technisch fixiert werden (Haber, Bosch, Ostwald). Heutzutage dient synthetischer Harnstoff aus Ammoniak und Kohlendioxid als wichtigster Stickstoffdünger. Der eingangs erwähnte enzymatische Abbau von Harnstoff zu Ammoniak durch Bodenbakterien stellt hierbei ein Problem dar. So geht etwa die Hälfte des produzierten Düngers auf diese Weise verloren. Der entstehende Ammoniak ist als Stickstoffdünger nicht nur eingeschänkt verfügbar, er schädigt vielmehr die Wurzeln von Pflanzen.
Urease, ein Metalloenzym: Der Harnstoffabbau wird durch das Metalloenzym Urease katalysiert. Metalloenzyme zeichnen sich dadurch aus, dass nach ihrer Isolierung nicht nur ein Proteinanteil (das „Apoenzym“) gefunden wird, sondern auch ein nichtproteinogener Anteil („Cofaktor“, Apoenzym und Cofaktor bilden zusammen das „Holoenzym“). Im aktiven Zentrum der Urease werden zwei Nickel(II)-Atome als Cofaktoren gefunden. Diese werden vor allem durch Stickstoffatome aus Seitenketten der Aminosäuren Histidin sowie durch Carboxylat-Sauerstoffatome gebunden.
Lernziele: Hydrolyse eines Säurederivats, hier eines Säureamids, Enzymkatalyse, Cofaktoren, Vergiftung eines Enzyms, Denaturierung, Substratspezifität, kompetitive Hemmung, reversible Hemmung, Substratüberschusshemmung, Inhibitor, Komplexierung von Metall-Ionen durch Stickstoffliganden.
Einführende Literatur: Mor-425K26.3, Mor-618K33.10.
Bildung und Zersetzung von Harnstoff, dem Diamid der Kohlensäure, werden in unkatalysierten Reaktionen untersucht. Es zeigt sich, dass Harnstoff keineswegs unbeständig ist und auch ohne Zutun eines Enzyms zersetzlich wäre.
Harnstoff ist für die Wissenschaftsgeschichte von Bedeutung. Die erste Synthese eines organischen Stoffes aus einer anorganischen Vorstufe nämlich gelang Friedrich Wöhler 1828 mit der Darstellung des „organischen“ Harnstoffs aus dem „anorganischen“ Ammoniumcyanat. Diese Synthese öffnete die strikte Grenze zwischen organischer und anorganischer Chemie und eröffnete das Feld der Biochemie. Die in-vitro-Synthese widerlegte die damals gängige Theorie des Vitalismus, gemäß der keine organischen Stoffe ohne die Einwirkung einer besonderen Lebenskraft (vis vitalis) entstehen können.
Versuch
In einem Becherglas werden 1,5 g Kaliumcyanat und 1 g Ammoniumchlorid in 10 mL destilliertem Wasser gelöst. Die Lösung wird in einer Porzellanschale langsam bis fast(!) zur Trockene eingedampft (so eine Art Brei). Der noch nicht erkaltete Kristallbrei wird umgerührt und man lässt erkalten.
Stellen Sie die Reaktionsgleichung auf. Zeichnen Sie die Lewis-Formeln der Reaktanden.
Der folgende Versuch zeigt eine typische Situation: die Harnstoffhydrolyse wird im Reagenzglas durch Hydroxid-Ionen in hoher Konzentration katalysiert. Genau das kann ein Organismus nicht. Sie werden später lernen, wie die Natur im aktiven Zentrum eines Enzyms Säure-Base-Katalyse bei konstantem pH-Wert realisieren kann (das Grundprinzip ist, dass freies Hydroxid durch metallgebundenes Hydroxid ersetzt wird).
Versuch
Der im vorhergehenden Versuch hergestellte Harnstoff wird durch Zugabe von einigen Tropfen Natronlauge zersetzt. Vorsichtige Geruchsprobe!
Stellen Sie die Reaktionsgleichung auf. Wo am Harnstoffmolekül greift die Lauge an? Formulieren Sie den Ablauf der Reaktion.
Harnstoff ist in neutral-wässriger Lösung beständig. Auch durch Erhitzen kommt es nicht zur Hydrolyse.
Versuch
In einem Reagenzglas wird eine 2%ige Harnstofflösung mit Phenolphthalein erhitzt.
Warum wird Harnstoff durch Natronlauge hydrolysiert, aber nicht durch Wasser.
Enzymkatalyse ist ein sensibles Geschehen, dessen Energieprofil keine besonders stabilen oder unstabilen Zustände aufweisen sollte. Ein Substrat, dessen Molekülbau nur geringfügig vom vorgesehenen Substrat abweicht, wird meistens nicht oder langsamer umgesetzt (Substratspezifität). Eine Ursache könnte die Bildung einer zu stabilen Zwischenstufe sein (kompetitive Hemmung). Ein völlig gestörtes Energieprofil liegt in einem vergifteten Enzym vor, in dem, wie in unserem Beispiel, der entscheidende Cofaktor ausgetauscht wurde. Besonders einschneidend ist die Denaturierung des Enzyms, die jedoch auch reversibel sein kann, wenn man es nur vorsichtig genug macht.
Dies ist die erwähnte Reaktion von Bodenbakterien. Schlimmer noch: die weitaus meisten Magenschleimhauterkrankungen (Magenschleimhautentzündungen, Magengeschwüre, Magenkrebs) entstehen durch Ureasewirkung von Helicobacter pylori, dessen basische Ausscheidungen (Reaktionsgleichung des ersten Ureaseversuchs!) dem Bakterium das Überleben in der Salzsäure unseres Magens ermöglichen, dabei aber unsere säureadaptierte Magenschleimhaut zerstören.
Die durch Urease katalysierte Reaktion ist die Hydrolyse der ersten der beiden C-N-Bindungen des Harnstoffs. Das dabei entstehende Carbamat zerfällt anschließend in unkatalysierter Reaktion weiter zu Hydrogencarbonat und Ammoniak.
Versuch
Geben Sie eine Spatelspitze Urease zu 1 mL Wasser. Schütten Sie eine 2%ige, mit Phenolphthalein versetzte Harnstofflösung hinzu.
Erklären Sie die beobachtete Farbänderung. Geben Sie die Ursache der für pflanzliche Wurzelhaare und menschliche Magenschleimhaut schädigenden pH-Wert-Erhöhung an.
Urease ist das erste Emzym, das in kristalliner Form erhalten wurde (Sumner 1925, 1946 Nobelpreis). Zur damaligen Zeit standen nur wenige Untersuchungsmethoden zur Verfügung, darunter vor allem die Elementaranalyse. Diese ist nur an Reinstoffen sinnvoll. Die zuverlässigste Methode, einen festen Reinstoff zu gewinnen, ist die Kristallisation. Sumners Ureasekristalle erlaubten die erste zuverlässige Analyse eines Enzyms, dass bei der Analyse als Polypeptid erkannt wurde. Die beiden Nickelatome entzogen sich der damaligen Analytik.
Enzyme erkennen „ihr“ Substrat. Ein erster Erklärungsversuch geht auf Emil Fischer zurück, das Schlüssel-Schloss-Prinzip.
Versuch
In Reagenzgläsern werden je 5 mL 2%ige Lösungen von Harnstoff, Thioharnstoff und N-Methylharnstoff hergestellt und mit etwas Phenolphthalein versetzt. Jede Lösung wird in je ein weiteres Reagenzglas gegossen, in dem eine Spatelspitze Urease zu 1 mL Wasser gegeben wurde.
Geben Sie die Lewis-Formeln der drei Ausgangsstoffe an.
Bei der kompetitiven Hemmung konkurriert ein Inhibitor mit einem Substrat um dieselbe Bindungsstelle im aktiven Zentrum des Enzyms. Dabei ist der kompetitive Inhibitor meist dem Substrat sehr ähnlich, kann jedoch nicht vom Enzym umgesetzt werden. Es bildet sich ein Enzym-Inhibitor-Komplex. Die Katalyse des Substrats ist somit reversibel blockiert.
Versuch
In einem Reagenzglas werden 5 mL 2%ige Harnstofflösung und 5 mL Wasser, in einem zweiten 5 mL 2%ige Harnstoff- und 5 mL 2%ige N-Methylharnstoff-Lösung gegeben. Die beiden Lösungen werden mit etwas Phenolphthalein versetzt. Anschließend werden die beiden Lösungen gleichzeitig in je ein weiteres Reagenzglas gegossen, in dem eine Spatelspitze Urease zu 1 mL Wasser gegeben wurde.
Zeichnen Sie die Lewis-Formel von N-Methylharnstoff.
Ein Versuch, der viel über wichtige Grundregeln der „Bioanorganischen Chemie“ verrät. Urease ist ein Nickelenzym. Kupfer(II)-Ionen binden in der Nickel-Umgebung aus Histidin-Stickstoff- und Carboxylat-Sauerstoff-Umgebung fester, so dass die Nickel-Ionen verdrängt werden. Nickel(II)-Ionen sind dagegen im Urease-Zentrum fester gebunden als es Blei(II)-Ionen wären. Blei(II)-Ionen würden nur dann fester binden, wenn die Metallzentren von einem anderen wichtigen „Bioliganden“ gebunden würden, nämlich von Schwefelatomen der Aminosäure Cystein. Ein Vergiftungsversuch also, der zu einer Aussage zum Aufbau des aktiven Zentrums eines Metalloenzyms führt. (Auch die Bindung von Blei-Ionen an Cystein-Seitenketten abseits des aktiven Zentrums könnte die Enzymaktivität beeinträchtigen. Es ist daher schön, aber keineswegs selbstverständlich, dass der Versuch so funktioniert.)
Versuch
Man gibt in drei Reagenzgläser je 5 mL Harnstofflösung mit Phenolphthalein. Es werden drei Reagenzgläser mit jeweils 1 mL Urease-Suspension vorbereitet. Zu der ersten Ureasesuspension pipettiert man 0,1 ml 0,1m Kupfer-, zur zweiten 0,1 ml 0,1m Bleisalzlösung und lässt 2–3 min einwirken. Die andere Urease-Suspension bleibt unbehandelt und dient zum Vergleich. Dann gießt man die Harnstofflösungen zu den Suspensionen.
Zeichnen Sie die Lewis-Formel einer Histidin-Seitenkette und formulieren Sie die Bindung an ein Metall-Ion.
Die Fähigkeit eines der beiden Stickstoffatome des Imidazolringes der Histidin-Seitenkette, ein Metall-Ion durch eine „koordinative Bindung“ zu fixieren, findet sich auch beim einfachen Ammoniak-Molekül. Die beim Urease-Vergiftungsversuch konkurrierenden Zentralmetalle Nickel(II), Kupfer(II) und Blei(II) verhalten sich gegenüber Ammoniak sehr unterschiedlich. Ein Überschuss Ammoniak erzeugt mit Nickel(II)-Ionen das oktaedrisch aufgebaute Komplexkation [Ni(NH3)6]2+ und mit Kupfer(II)-Ionen das stark verzerrt oktaedrische Ion [Cu(NH3)4(H2O)2]2+, mit Blei aber wird kein Ammin-Komplex (so heißen Komplexe mit NH3-Liganden) gebildet.
Versuch
Jeweils einige Tropfen 0,1 m Kupfersulfat-, 0,1 m Nickelsulfat- und 0,025 m Blei(II)-nitrat-Lösung werden mit einigen Tropfen verdünnter Ammoniaklösung versetzt, dann mit einer größeren Menge Ammoniaklösung.
Formulieren Sie die Reaktionsgleichungen für die zuerst, nach Zugabe der ersten Tropfen Ammoniaklösung, auftretende Reaktion (der beim Bleisalz keine weitere Reaktion mehr folgt).
Eine Reaktion, die fast jedes Protein aufweist: die Denaturierung, die Zerstörung der räumlichen Struktur, durch Erhitzen (Eierkochen) oder Säurezugabe (haben Sie beim Erfinden neuer Sommerdrinks schon einmal Vollmilch mit Zitronensaft gemischt?). Im folgenden Versuch lernen Sie, dass eine Denaturierung nicht nur irreversibel auftritt wie bei den Alltagsbeispielen, sondern sie kann auch reversibel sein.
Versuch
In drei Reagenzgläser wird jeweils eine Spatelspitze Urease mit 4 mL Wasser versetzt. In das erste Glas werden einige Tropfen verdünnte Salpetersäure gegeben, in das zweite ca. 4 mL Ethanol (1 Pasteurpipette). Die dritte Reagensglas wird über der Bunsenbrennerflamme erhitzt. In einem weiteren Reagenzglas wird nun eine 2%ige Harnstofflösung mit etwas Phenolphthalein versetzt. Es werden jeweils einige Tropfen dieser Lösung zu den denaturierten Urease-Suspensionen gegeben. Anschließend versetzt man die Lösungen mit 20–30 mL Wasser, wartet einige Minuten und prüft, ob Harnstoffhydrolyse eingetreten ist.
Was versteht man unter der Primär-, Sekundär-, Tertiär- und Quartärstruktur eines Proteins? Welcher Typ bleibt bei der Denaturierung erhalten?
Bei den Übungsanalysen lernen Sie zwei Methoden zur Nickelbestimmung kennen, bei denen die Produkte Ähnlichkeit mit dem aktiven Zentrum der Urease haben: sowohl beim sechszähnigen Ligand edta als auch beim zweizähnigen dmg-Ligand bindet das Nickel-Zentralatom an Stickstoff-Liganden, die bei edta von anionischen Sauerstoff-Bindungsstellen unterstützt werden.
Neben zwei N-Atomen stehen beim sechszähnigen edta-Liganden maximal vier Carboxylat-O-Atome zur Verfügung.
Versuch
Bestimmung von Nickel analog zu Cobalt in Jan-435 ausgehend von 50 mL Probelösung. Eine Neutralisation zu Beginn ist nicht notwendig. Durch Ammoniakzugabe wird die orange Lösung gelb. Titriert wird anschließend auf Rotviolett.
Skizzieren Sie die Molekülstruktur des edta-Ni-Chelatkomplexes.
Als Chelatligand wird hier das dmg-Anion genutzt (Hdmg = Bis-dimethyl-glyoxim = Diacetyldioxim [die Ligandabkürzung in Jan379 ist nicht IUPAC-konform]). Es entsteht der quadratisch-planare Nickelkomplex [Ni(dmg)2], ein „innerkomplexes Salz“. Der Aufbau wurde durch Röntgenstrukturanalyse geklärt (Cambridge-Datenbank, Eintrag NIMGLO11):
Versuch
Bestimmung von Nickel nach Jan379.
Versuch
AUSPROBIEREN
ICP-Untersuchung von Urease, Nachweis des Nickelgehalts. Bei der Präsentation auf Sumners historische Arbeit eingehen (J. B. Sumner: The Isolation and Crystallization of the Enzyme Urease. J. Biol. Chem. 1926, 69, 435–441).
Enzymkinetik aufnehmen, vielleicht auch als Vollanalyse.
Besonders schön: nutzbare Hemmstoffe untersuchen, zum Beispiel die Hemmung durch Borsäure mit der Hemmung durch Diamidophosphat vergleichen. Bei der Präsentation darstellen, welche Grundideen es gibt, wie man ein Enzym hemmen kann.
Müsste man ausprobieren: Amminkomplexe der Vorversuche durch Komplexe mit N-Methyl-imidazol als Analog zur His-Seitenkette ergänzen. UV/Vis-Spektren aufnehmen und sich überzeugen, wie ähnlich alles ist.
Aminosäuren sind nicht nur die Bausteine der Peptide und Proteine, Aminosäuren selbst sind auch ohne die Einbindung in ein Protein ungewöhnliche Moleküle – sie sind „polyfunktionell“. Während alle Aminosäuren eine Carboxylfunktion und eine Aminofunktion tragen, weisen einige der 20 proteinogenen Aminosäuren weitere funktionelle Gruppen in ihrer Seitenkette auf. So treten dort weitere Aminogruppen und Carboxylgruppen auf, aber auch Hydroxyl- und Thiolgruppen, sowie komplexere Strukturelemente wie Imidazol-, Phenol- oder Indolringe. In diesem Projekt lernen Sie, die Aminosäuren zu unterscheiden, ihre funktionellen Gruppen zu charakterisieren, und ein Aminosäuregemisch auftrennen. Ein besonderer Schwerpunkt: Aminosäuren als protolysierende Moleküle, die aber nicht nur mit der Lewissäure H+, sondern auch mit Lewis-sauren Metallionen reagieren können.
Aminosäuren sind Ampholyte. Deren wesentliche Kennzahlen können einer Titrationskurve entnommen werden. Eine Möglichkeit, eine alle Protolyseschritte umfassende Kurve zu erhalten, ist in der folgenden Abbildung genutzt worden. Diese zeigt die Titrationskurve der einfachsten Aminosäure, Glycin (Aminoessigsäure, H2NCH2COOH). Als Ampholyt liegt Glycin nach dem Auflösen in Wasser so vor, dass die stärkste saure Funktion (die COOH-Gruppe) deprotoniert und die stärkste basische Funktion (die NH2-Funktion) protoniert ist. Es liegt also das Zwitterion H3N+CH2COO− vor, das durch die Acidität der Ammoniumfunktion (pKS2) und die Basizität der Carboxylat-Funktion (pKB = 14 − pKS1 mit pKS1 als der Säurekonstante der zum Carboxylat konjugierten Säure, der COOH-Funktion) gekennzeichnet ist.
Die Probe wurde nun vorbereitet, indem bis zu einem recht hohen pH-Wert von ca. 12,5 Natronlauge zugefügt wurde. Bei diesem pH-Wert sind alle sauren Funktionen einer Aminosäure deprotoniert. Glycin liegt unter diesen Bedingungen als Glycinat-Monoanion (Aminoacetat, H2NCH2COO−) vor. Bei der anschließenden Titration mit 1 m Salzsäure wird bis zum Punkt EP1 nur die überschüssige Natronlauge verbraucht. EP1 markiert daher den Startpunkt der eigentlichen Glycin-Titration, den Titrationsgrad 0 (τ = 0).
Titration von 755 mg Glycin (nach Zugabe von NaOH bis zum Erreichen von pH 12,5) mit 1 m HCl. Rot: Markierungen im Messprotokoll, blau: siehe Text.
Bei τ = 0,5 ist der erste Pufferpunkt erreicht (im Messprotokoll HP2), bei dem gleiche Anteile Glycinat und Glycin vorliegen. Dabei ist die Hälfte des Glycinats an seiner basischsten Position, der Aminogruppe, protoniert worden – aus der Hälfte des Glycinats ist das Zwitterion H3N+CH2COO− entstanden. Bei HP2 wird auf der Ordinate der pKS2-Wert abgelesen, der Säurekonstante der Ammoniumfunktion (9,89; vgl. 9,78 in Voet & Voet, Biochemistry).
Die weitere Titration führt zu EP2. Hier ist alles Glycinat protoniert, so dass nur noch das Zwitterion vorliegt – der isoelektrische Punkt ist erreicht. Bis hierher wurden 1 mol Protonen zu 1 mol Glycinat zugefügt, der Titrationsgrad ist 1 (τ = 1). Wurde die Aminosäure eingewogen, so ergibt der Quotient aus der Einwaage in mg und der zugegebenen Menge Protonen in mmol die Molekülmasse der Aminosäure. Da bei Glycin an diesem Äquivalenzpunkt das Zwitterion vorliegt, liegt hier auch der isoelektrische Punkt (IP) des Glycins, auf dessen Bestimmung weiter unter eingegangen wird.
Bei der weiteren Titration wird ein zweiter Pufferpunkt und ein zweiter Äquivalenzpunkt erwartet. Im Vergleich mit einem verwandten Ampholyten wie Ammoniumacetat sind die meisten Aminosäuren aber so sauer, dass die Carboxylfunktion bei den üblichen Konzentrationen durch die zugesetzte Salzsäure nicht mehr protoniert wird und bei τ = 2 kein Wendepunkt mehr zu erkennen ist. Aus diesem Grund ist auch die Bestimmung von pKS1, der Säurekonstanten der Carboxylfunktion, beim zweiten Pufferpunkt (τ = 1,5) mit einer höheren Unsicherheit behaftet als die Bestimmung von pKS2. Im Beispiel ergibt sich pKS1, der pH-Wert bei τ = 1,5, zu 2,66 (vgl. 2,35 in Voet & Voet, Biochemistry).
Der isoelektrische Punkt ergibt sich für Glycin nach der Bestimmung von pKS1 und pKS2 als Mittelwert der beiden Säurekonstanten zu 6,3. (Setzen Sie in der Praxis IP und EP2 nicht gleich, da EP2 in diesem steilsten Kurvenabschnitt einen besonders großen Fehler des Ordinatenwerts aufweist! Bestimmen Sie also den IP nur als Mittelwert der Säurekonstanten.)
Warum ist der pKS1-Wert des Glycins so deutlich kleiner als der von Essigsäure mit einem pKS-Wert von 4,75?
Definitionen: Wie schon zuvor sei pKS1 der pKS-Wert der Carboxylfunktion, pKS2 der pKS-Wert der zur Aminofunktion konjugierten Säure; pKS3 sei nun der pKS-Wert der zweiten Säurefunktion im Fall einer sauren Seitenkette oder der pKS-Wert der konjugierten Säure im Fall einer basischen Seitenkette.
Der IP einer Aminosäure ergibt sich als der pH-Wert, bei dem die Aminosäure als Zwitterion vorliegt. Dieser pH-Wert wird dadurch bestimmt, welche funktionelle Gruppe des Ampholyten gegenüber Wasser als Säure und welche als Base wirkt.
Enthält die Aminosäure keine protolysierende Seitenkette, so liegt der Ampholyt hauptsächlich mit deprotonierter Carboxylfunktion und protonierter Aminofunktion vor (der Fall entspricht also dem Glycin-Beispiel). Die Säurewirkung gegenüber Wasser beruht auf der protonierten Aminofunktion (pKS2), die Basewirkung auf der Carboxylatfunktion (pKS1), der IP ergibt sich als
pH = ½ (pKS1 + pKS2)
Besitzt die Aminosäure eine saure Seitenkette, wird zuerst von dem üblichen Zwitterion ausgegangen. Dessen Basizität gegenüber Wasser beruht auf der Carboxylatfunktion (pKS1), seine Acidität aber beruht auf der Seitenkette (pKS3). Der IP ist nun
pH = ½ (pKS1 + pKS3)
Läge der Fall vor, dass pKS1 größer als pKS3 ist, würde sich der Ausgangspunkt der Ableitung ändern, nicht aber das Ergebnis.
Auch wenn die Aminosäure eine basische Seitenkette besitzt, wird zuerst von dem üblichen Zwitterion ausgegangen. Dessen Acidität gegenüber Wasser beruht auf der protonierten Aminofunktion (pKS2), seine Basizität beruht nun aber nicht auf der Carboxylatfunktion, sondern auf der basischen Seitenkette (pKS3). Der IP ist nun
pH = ½ (pKS2 + pKS3)
Ist die Basizität der Seitenkette größer als die der Aminofunktion, so ändert sich auch hier nur der Ausgangspunkt der Ableitung, aber nicht das Ergebnis.
Beispiel 1: Phenylalanin. pKS1 = 2,20, pKS2 = 9,31. Der IP ist:
pH = ½ (pKS1 + pKS2) = ½ (2,20 + 9,31) = 5,76
Beispiel 2: Glutaminsäure mit einer sauren Carboxylseitenkette. pKS1 = 2,10, pKS2 = 9,47, pKS3 = 4,07. Der IP errechnet sich zu:
pH = ½ (pKS1 + pKS3) = ½ (2,10 + 4,07) = 3,09
Beispiel 3: Histidin mit einer basischen Imidazolseitenkette. pKS1 = 1,80, pKS2 = 9,33, pKS3 = 6,04. Der IP errechnet sich zu:
pH = ½ (pKS2 + pKS3) = ½ (6,04 + 9,33) = 7,69
Lernziele: Dünnschichtchromatographie, Aminosäuren als Ampholyte, Nachweis funktioneller Gruppen in Aminosäuren, isoelektronischer Punkt, Aminosäuren als Chelatliganden.
Einführende Literatur: Mor-605K33.6, Mor-618K33.10, Mor-302K18.4
Die Chromatographie ist ein Verfahren zum Auftrennen eines Stoffgemisches in seine Einzelbestandteile mit Hilfe einer stationären und einer mobilen Phase. Dieses qualitative Verfahren ermöglicht es, ein Gemisch aus Aminosäuren aufzutrennen. Dabei werden die unterschiedlichen Wanderungsgeschwindigkeiten der einzelnen Aminosäuren im Fließmittel ausgenutzt, um beispielsweise die Zusammensetzung eines Proteins zu analysieren.
Bei der Chromatograpie wird die unterschiedliche Wanderungsgeschwindigkeit verschiedener Moleküle und damit das Verteilungsgleichgewicht eines Stoffes zwischen zwei Phasen – einer stationären und einer mobilen Phase – zur Stofftrennung genutzt. Bei der Dünnschichtchromatographie ist die stationäre Phase eine wenige Zehntel Millimeter dünne Schicht aus feinkörnigem Aluminiumoxid oder Siliciumdioxid. Entscheidend für die Identifizierung der einzelnen Aminosäuren ist ihr Retentionsfaktor (Rf-Wert) unter den jeweiligen Versuchsbedingungen. Der Rf-Wert ist der Quotient aus der Laufstrecke der Substanz und der Laufstrecke der Fließmittelfront vom Startpunkt aus; er ist für ein vorgegebenes chromatographisches System für eine Verbindung charakteristisch. Verschiedene Aminosäuren unterscheiden sich in ihrem Retentionsfaktor, wodurch die Analyse eines Aminosäuregemisches möglich ist.
Versuch
(1) Geben Sie in eine Chromatographiekammer ein Gemisch aus n-Butanol, Eisessig und Wasser im Volumenverhältnis 4:1:1, so dass die Kammer ca. 1 cm hoch gefüllt ist, stellen Sie ein passendes Stück Filterpapier hinzu und verschließen Sie die Kammer, um den Luftraum mit dem Lösungsmittelgemisch zu sättigen. (2) Ziehen Sie vorsichtig mit einem weichen Bleistift auf der DC-Platte 1 cm von der kürzeren Kante entfernt einen zur Kante parallelen Strich als Startlinie und unterteilen Sie den Strich in 1-cm-Abschnitte. Auf die Startlinie werden die Lösungen der reinen Aminosäuren (Arginin, Alanin, Histidin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Prolin, Valin) und das zu bestimmende gelöste Gemisch mit 1 cm Abstand untereinander und auch zum Rand mit einer feinen Kapillare aufgetragen. Tauchen Sie hierzu eine saubere Kapillare in die entsprechende Lösung, worauf durch Kapillarkräfte eine ausreichende Menge der Lösung in der Kapillare aufsteigt. Die Spitze der Kapillare wird nun ruhig und senkrecht auf die vorgezeichnete Stelle aufgesetzt und man läßt einen kleinen Teil der Lösung ausfließen. Der gebildete Fleck wird kurz getrocknet und der gesamte Vorgang mehrere Male wiederholt. Dabei wird darauf geachtet, daß der Durchmesser des Flecks nicht größer als 2–3 mm wird. Stellen Sie nun die DC-Platte in die Chromatographiekammer (die Sie wegen der Laufmittelsättigung nicht unnötig offen stehen lassen!) und nehmen Sie sie erst dann heraus, wenn sich die Fließmittelfront ca. 2 cm vom oberen Rand entfernt befindet. Markieren Sie diesen Rand der Fließmittelfront und lassen die Platte trocknen. Im Anschluss besprühen Sie die Platten vorsichtig mit einer Ninhydrin-Lösung und lassen erneut trocknen. Messen Sie nun den Abstand von der Mitte eines jeden Farbflecks zur Startlinie und berechnen Sie den Rf-Wert, indem Sie den Abstand durch den Abstand von der Startlinie bis zur Fließmittelfront teilen.
Welche Aminosäuren lagen in Ihrem Gemisch vor?
Im folgenden Versuch wird mit Ammoniumacetat experimentiert. Lernziel ist, die Parallelen zwischen diesem typische Ampholyt und einer Aminosäure zu erkennen.
Versuch
Eine 50 mL-Probe einer Ammoniumacetatlösung werden auf ca. 100 mL verdünnt, mit 6 m Natronlauge auf einen pH-Wert von ca. 12,5 eingestellt (pH-Meter) und sofort anschließend am Titrationsautomaten mit 1 m Salzsäure titriert.
Warum soll die Lösung nach der Laugezugabe nicht herumstehen? Woran erkennen Sie eine hierauf beruhende Störung?
Errechnen Sie den Ammoniumacetatgehalt der Analyselösung aus dem Verbrauch zwischen dem zweiten und dritten Äquivalenzpunkt.
Drucken Sie ihr Titrationsdiagramm aus und erklären Sie alle Wendepunkte. Welcher dieser Punkte wird erreicht, wenn Ammoniumacetat in reinem Wasser gelöst wird (keine Laugezugabe). Wie errechnet sich der pH-Wert an diesem Punkt?
In den folgenden Versuchen sollen Sie die funktionellen Gruppen von Aminosäuren kennenlernen. Sie erhalten hierzu vier unbekannte Proben. Diese können eine Aminosäure oder auch eine anorganische Substanz darstellen. Die folgenden Nachweisreaktionen dienen zur Analyse.
Ordnen Sie die folgenden Einzelnachweise zu einer sinnvollen Versuchsreihe.
Versuch
Nachweis aromatischer Seitenketten in Aminosäuren (Xanthoproteinreaktion):
Eine Spatelspitze der vorliegenden Probe wird im Reagenzglas mit 1 mL Salpetersäure versetzt und vorsichtig erhitzt. Beim Vorhandensein aromatischer Aminosäuren tritt eine gelbliche oder rot-orange Färbung auf.
Nachweis von Phenolgruppen in aromatischen Aminosäuren (Probe mit Millons Reagenz):
Der Versuch wird im Abzug durchgeführt. 1 mL der wässrigen Probelösung wird solange mit Quecksilber(I)-nitrat (Millons Reagenz) versetzt, bis man eine klare Lösung erhält (fällt bei der ersten Zugabe von Millons Reagenz ein weißer, milchiger Niederschlag, wird erhitzt bis die Lösung klar ist). Bei Zugabe weiterer 3 Tropfen von Millons Reagenz färbt sich die Lösung bei positivem Nachweis rot (Störung: bei Anwesenheit von Cystein entsteht ein schwarzer Niederschlag und ein unangenehmer Geruch entwickelt sich).
Nachweis von Thiolgruppen (nicht Thioethergruppen!) in Aminosäuren (Bleiacetat-Reaktion) :
In ein Reagenzglas werden 4–5 Tropfen Blei(II)-acetat-Lösung gegeben. Danach fügt man 6-molare Natronlauge hinzu, bis die Lösung klar ist und gibt anschließend einen zusätzlichen Tropfen NaOH hinzu. Nun versetzt man die Lösung mit einer kleinen Spatelspitze der zu untersuchenden Substanz und erwärmt über der Bunsenbrennerflamme. Bei einem positiven Nachweis entsteht ein schwarzer Niederschlag.
Allgemeiner Nachweis von Aminosäuren (Ninhydrin-Reaktion):
4 mL einer wässrigen Probelösung wird mit 1 mL Ninhydrin-Lösung (0,1 g Ninhydrin in 32 mL Methanol) versetzt. Der pH-Wert sollte 6 betragen; gegebenenfalls wird mit Essigsäure auf pH 6 eingestellt. Eine blau-violette Farbreaktion zeigt Aminosäuren an (Ausnahmen: Cystein rot, Tyrosin gelb).
Nachweis auf Histidin und Tyrosin (Azofarbstoff-Bildung):
Reagenzien: frisch hergestellte 10 %ige Natriumcarbonat-Lösung, Sulfanilsäure-Lösung (kleine Spatelspitze Sulfanilsäure und 2,5 mL konz. HCl werden mit Wasser auf 50 mL aufgefüllt), Natriumnitrit-Lösung (eine reichliche Spatelspitze NaNO2 wird in 40 mL Wasser gelöst. 3 mL Sulfanilsäurelösung und 3 mL Natriumnitrit-Lösung werden gemischt. Die Probensubstanz wird in 1 mL Natriumcarbonat-Lösung gelöst und 1 mL der nitrithaltigen Mischung zugegeben. Bei positivem Nachweis zeigt sich eine orange oder rote Farbreaktion.
Welche Aminosäuren bzw. anorganische Substanzen konnten Sie ermitteln oder eingrenzen?
Welche funktionellen Gruppen weisen die nachgewiesenen Aminosäuren auf?
Was ist charakteristisch für Azofarbstoffe?
Eine Anmerkung zur Ninhydrin-Reaktion: Das Ninhydrin-Verfahren ist in der kriminalistischen Praxis eine der häufigsten Spurensicherungsmethoden. Unter günstigen Bedingungen sind selbst mehrere Jahre alte Fingerspuren noch mit Ninhydrinlösung nachweisbar.
Die Titration der Aminosäure-Zwitterionen zeigt deren Ampholytverhalten. Neben den Protolysekonstanten der einzelnen funktionellen Gruppen ist der isoelektrische Punkt eine typische Kenngröße, bei dem ein nach außen elektroneutrales Zwitterion vorliegt.
Die pKS-Werte in der folgenden Tabelle sind so definiert wie im Abschnitt „Wissenswertes“ beschrieben. R ist die Seitenkette an Cα.
R | Mr | pKS1 | pKS2 | pKS3 | IP | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Alanin | Ala | CH3 | 89,093 | 2,35 | 9,87 | – | 6,11 |
Asparagin | Asn | CH2CONH2 | 132,118 | 2,14 | 8,72 | – | 5,43 |
Asparagins. | Asp | CH2COOH | 133,103 | 1,99 | 9,90 | 3,90 | 2,95 |
Cystein | Cys | CH2SH | 121,159 | 1,92 | 10,70 | 8,37 | 5,15 |
Glutamins. | Glu | CH2CH2COOH | 147,129 | 2,10 | 9,47 | 4,07 | 3,09 |
Histidin | His | CH2C3H3N2 | 155,155 | 1,80 | 9,33 | 6,04 | 7,69 |
Threonin | Thr | CH(CH3)OH | 119,119 | 2,09 | 9,10 | – | 5,60 |
Versuch
Ca. 1,3 g der Probe werden auf der Analysenwaage genau eingewogen, in 100 mL Wasser gelöst, mit 6 m Natronlauge auf einen pH-Wert von ca. 12,5 eingestellt (pH-Meter) und anschließend mit 1 m Salzsäure am Titrationsautomaten titriert.
Bestimmen Sie (1) den pKS2-Wert der Aminosäure aus Ihrer Titrationskurve und vergleichen Sie mit den tabellierten Werten, und (2) die Molmasse ihrer Probe aus der Einwaage und dem Verbrauch des am Besten sichtbaren Protonierungsschritts. Um welche Aminosäure handelt es sich?
Berechnen Sie die prozentuale Abweichung der von Ihnen bestimmten Molmasse und dem Tabellenwert.
Bestimmen Sie aus Ihrer Titrationskurve näherungsweise den pKS1-Wert, indem Sie in sinnvoller Weise den Verbrauch des am Besten sichtbaren Protonierungsschritts zur Extrapolation ins Saure verwenden (siehe Muster).
Welche Parallelen zwischen der bereits durchgeführten Titration von Ammoniumacetat und der Titration einer Aminosäuren sehen Sie?
Vergleichen Sie die von Ihnen ermittelten Werte für pkS1 und pkS2 mit den Werten von Glycin (2,35; 9,78), der einfachsten Aminosäure, und den in der Übungsanalyse bestimmten pKS-Werten von Ammoniumacetat. Erklären Sie die Unterschiede.
Die Anwesenheit von Metallkationen, die von Aminosäuren als Komplexliganden gebunden werden können, beeinflusst die Protolysegleichgewichte, da um die Basen (Amin, Carboxylat, deprotonierte Seitenkette) nun ein Wettbewerb zwischen dem Proton und dem Metallkation entsteht. Im ersten Versuchsteil titrieren Sie daher die reine Aminosäure in Abwesenheit von Metallkationen, wohingegen Sie im zweiten Versuchsteil als Metallkation Kupfer(II) vorliegen haben.
Versuch
Titration von Glycin:
l-Glycin (2 mmol) wird in 198,0 mL 0,1 m NaIO3-Lösung und 2,00 mL 1 m Perchlorsäure gelöst. Stellen Sie den pH-Wert mit Hilfe von HCl auf 2,5 (pH-Meter) und titrieren Sie diese Lösung mit 0,5 m NaOH. Nehmen Sie dabei eine Titrationskurve auf.
Titration von Glycin in Anwesenheit von Kupfer(II):
l-Glycin (2 mmol) und Kupfer(II)-perchlorat-Hexahydrat (1 mmol) werden in 198,0 mL 0,1 m NaIO3-Lösung und 2,00 mL 1 m Perchlorsäure gelöst. Stellen Sie den pH-Wert mit Hilfe von HCl auf 2,5 (pH-Meter) und titrieren Sie diese Lösung mit 0,5 m NaOH. Nehmen Sie dabei eine Titrationskurve auf.
Interpretieren Sie die unterschiedlichen Kurvenverläufe. Welche Zusammensetzung ergibt sich für den Komplex, der aus Glycin und Kupfer-Ionen entsteht?
Wie könnte der Aufbau des aus der Titrationskurve abgeleiteten Komplexes aussehen?
Aminosäuren sind polyfunktionell. Es gibt kaum eine Stoffklasse, bei der relativ kleine Moleküle so unterschiedliche funktionelle Gruppen tragen. Das wesentliche Lernziel bei diesem Projekt ist es, die Protolysechemie der Aminosäuren als Folge des Zusammenspiels der unterschiedlichen funktionellen Gruppen zu verstehen. Vor allem die Frage nach dem isoelektrischen Punkt zwingt zu einer näheren Beschäftigung mit den Protolysekonstanten der verschiedenen Aminosäuren.
Erklären Sie den zwitterionischen Charakter von Aminosäuren.
„Aminosäurelösungen wirken als Puffer.“ – liest man schon mal so. Prüfen Sie diese Aussage anhand Ihrer Titrationskurven.
Sie haben im Praktikum bereits die Titration von Glycin in Anwesenheit von Kupferionen durchgeführt. Nun soll untersucht werden wie sich die Titrationskurve verändert, wenn es sich um eine Aminosäure mit titrierbaren Seitenketten handelt.
Versuch
Titration von Serin:
Wiegen Sie 0,210 g L-Serin ab und lösen Sie es in 198,0 mL 0,1 m NaIO3-Lösung und 2,00 mL 1,000 m Perchlorsäure. Stellen Sie den pH-Wert mit Hilfe von HCl auf 2,5 (pH-Meter) und titrieren Sie diese Lösung mit 0,5 m NaOH. Nehmen Sie dabei eine Titrationskurve auf.
Titration von Serin in Anwesenheit von Kupfer(II):
Wiegen Sie 0,210 g L-Serin und 0,371 g Kupfer(II)-perchlorat-Hexahydrat ab, und lösen Sie beide Substanzen in 198,0 mL 0,1 m NaIO3-Lösung und 2,00 mL 1,000 m Perchlorsäure. Stellen Sie den pH-Wert mit Hilfe von HCl auf 2,5 (pH-Meter) und titrieren Sie diese Lösung mit 0,5 m NaOH. Nehmen Sie dabei eine Titrationskurve auf.
Vergleichen Sie die beiden Titrationskurven miteinander. Wie sind die unterschiedlichen Kurvenverläufe zu erklären? Gehen Sie dabei auch auf die Titration von Glycin in Anwesenheit von Metallionen ein.
Warum löst sich Zink in Salzsäure, nicht aber Kupfer? Warum überzieht sich ein Kupferblech mit Silber, wenn es in eine Silbersalzlösung getaucht wird? Warum überzieht sich ein Kupferblech nicht mit Eisen, wenn es in eine Eisensalzlösung getaucht wird? Warum wird Messing rot, wenn man Salzsäure darauf einwirken lässt? – so ließe sich endlos weiterfragen. Keine Bange, die Lösungen zu solchen Fragen muss man nicht auswendig lernen. Eine Tabelle mit elektrochemischen Potentialen schafft Klarheit.
Dass beim Kontakt unterschiedlicher „edler“ Metalle elektrische Phänomene auftreten, nutzen wir in Bauteilen wie dem Thermoelement zur Temperaturmessung oder dem Peltier-Element zur Kühlung. Wird anstelle des direkten Kontaktes der Metalle ein Medium zwischengeschaltet, das aufgrund freibeweglicher Ionen elektrisch leitend ist – eine Salz-, Säure- oder Baselösung, oder ein fester Ionenleiter –, lassen sich freiwillig ablaufende Redoxreaktionen zum Aufbau einer Spannung nutzen. Es entstehen galvanische Elemente, die in unserem heutigen Leben eine bedeutende Rolle als Batterien und Akkumulatoren spielen. (Die italienischstämmige Mitverfasserin dieses Textes glaubt daran, dass) galvanische Elemente auf Signora Lucia Galvani zurückgehen, die 1789 ihren Mann auf das Zucken von Froschschenkeln zwischen einem kupfernen Haken und dem eisernen Balkongitter aufmerksam machte (was haben Froschschenkel an Kupferhaken auf Balkonen verloren?). Galvani stellte zur Erklärung die falsche Theorie auf, dass „tierische Elektrizität“ die Ursache sei.
Lernziele: Mit folgenden Stichwörtern sollten Sie nach der Bearbeitung der Versuche argumentieren können: Elektrolyt, Leitfähigkeit, galvanische Zelle, Erzeugung von elektrischer Energie mittels chemischer Stoffumwandlungen, Redoxpotential, Standard-Wasserstoff-Elektrode, elektrochemische Spannungsreihe, Redoxpaar, Redoxreaktion, unedle und edle Metalle, elektromotorische Kraft (EMK), Nernstsche Gleichung, Elektrogravimetrie, Konduktometrie.
Einführende Literatur: Mor-356K21.5-K21.9, Mor-372K21.13, Jan-480K3.6.5
Die Vorversuche sind grundlegenden Konzepten und Begriffen gewidmet. Es wird die unterschiedliche Leitfähigkeit unterschiedlicher Ionen in Lösung gezeigt, der Aufbau eines galvanischen Elements untersucht, und der Bezug zwischen dem galvanischen Element und einer freiwillig ablaufenden Redoxreaktion gezeigt.
Die Leitfähigkeit von Elektrolytlösungen hängt von der Art der Ionen ab. Besonders auffallend ist die hohe spezifische Leitfähigkeit von Oxonium- und Hydroxid-Ionen.
Erläutern Sie nach der Bearbeitung der einführenden Literatur die Begriffe Elektrolyt, Leitfähigkeit und Widerstand, spezifische Leitfähigkeit.
Versuch
Messen Sie mit einem Leitfähigkeitsprüfer den Stromfluss durch 0,1-molare Lösungen der folgenden Verbindungen nach Anlegen einer 10-V-Wechselspannung: HCl, LiCl, NaCl, KCl, NaCH3COO, NaOH.
Ordnen Sie die chloridhaltigen Lösungen nach steigender Leitfähigkeit und erklären Sie Ihren Befund.
Ordnen Sie die Natriumsalzlösungen nach steigender Leitfähigkeit und erklären Sie Ihren Befund.
Die Standardwasserstoffelektrode bildet den Nullpunkt der elektrochemischen Spannungsreihe. Halbzellen mit negativem Potential reduzieren die Standardwasserstoffelektrode, Halbzellen mit positivem Potential oxidieren sie. Elektrochemische Potentiale erlauben die Vorhersage von Redoxreaktionen: die reduzierte Seite einer Halbreaktion mit negativerem Potential und die oxidierte Seite einer Halbreaktion mit positiverem Potential kombinieren zu einer freiwillig ablaufenden Redoxreaktion. Im folgenden Versuch wird die „elektromotorische Kraft“ (EMK), das ist die stromlos gemessene Potentialdifferenz zweier Halbzellen, unter Standardbedingungen gemessen.
Versuch
Um eine vereinfachte Form der Standard-Wasserstoffelektrode herzustellen, füllen Sie gleichzeitig(!) die eine Hälfte eines U-Rohres mit der jeweiligen Salzlösung (c = 1 mol L−1), die andere mit Salzsäure (c = 1 mol L−1). In die Salzsäure tauchen Sie nun eine Platin-Elektrode, in die Salzlösung das entsprechende Metall. Verschließen Sie den Schenkel mit der 1 m HCl mit einer doppelten Lage Parafilm, die Sie vorher mit der Platinelektrode vorsichtig durchstoßen haben. Verschließen Sie auch das seitliche Ansatzstück des HCl-Schenkels mit Parafilm. Verbinden Sie die Platin-Elektrode mit dem Minus-Pol, das Metall mit dem Plus-Pol der Spannungsquelle und elektrolysieren Sie ca. 1 min, so dass an der Platinelektrode deutlich Wasserstoff abgeschieden wird. Anschließend werden die Elektroden von der Spannungsquelle getrennt und so mit dem Messgerät verbunden, dass eine Spannung abgelesen werden kann. Der Messbereichswahlschalter wird für alle Messungen auf 2,5 V (DC) gestellt. Nach etwa einer Minute wird der Spannungswert am Messgerät abgelesen. Elektrolyse und Spannungsmessung werden so oft wiederholt, bis der Messwert keine Veränderung mehr zeigt. Nach Beendigung der Messung wird die Platin-Elektrode sorgfältig mit destilliertem Wasser abgespült.
Anmerkung: Das gleichzeige Einfüllen der Lösungen ist wichtig, damit kein hydrostatischer Druck entsteht und die Lösungen durch das Diaphragma laufen.
Lesen Sie die jeweiligen Spannungen ab und beachten Sie die jeweilige Polung. Welches ist das edlere Metall und warum?
Formulieren Sie die Redoxreaktionen für die jeweiligen galvanischen Elemente. Vergleichen Sie Ihre Messwerte mit den Angaben, die Sie aus Literaturwerten errechnen.
Die in der Spannungsreihe aufgeführten Redoxpotentiale gelten für Standardbedingungen, das heißt bei einem Druck von 1,013 bar, einer Temperatur von 298,15 K, und Ionenaktivitäten in Lösung von 1 mol L−1. Vor allem die Ionenkonzentrationen weichen oft vom Standardwert ab. Im folgenden Versuch wird der Zusammenhang zwischen der EMK einer Zelle und der Lösungskonzentration untersucht.
Versuch
Ermitteln Sie in derselben Apparatur wie beim vorhergehenden Versuch die EMK für die Halbzellenkombination Zn/Zn2+ und Cu/Cu2+ bei einer Konzentration von 1 mol L−1 für die beiden Salzlösungen. Wiederholen Sie den Versuch, indem Sie von einer 0,1-molaren Kupfersulfat-Lösung ausgehen. Wiederholen Sie auch diesen Versuch, indem Sie nun eine 0,01-molare Zinksalzlösung einsetzen.
Ziehen Sie die Nernstsche Gleichung heran, um Ihr Versuchsergebnis zu deuten.
Anmerkung: Die Übungsanalyse wird während der Pilotphase voraussichtlich als klassische Titration ausgeführt, indem der Äquivalenzpunkt visuell ermittelt wird. Die Bestimmung wird im endgültigen Liebig-Lab elektrochemisch detektiert.
Sie sollten beim Arbeiten mit Kaliumpermanganat-Lösungen beachten, dass diese langsam durch Reaktion mit Staub, Glasbestandteilen, etc., altern. Da Licht solche Reaktionen beschleunigt, werden Kaliumpermanganat-Lösungen in dunklen Glasflaschen aufbewahrt. Da jedoch die unerwünschten Reaktionen dadurch nur verlangsamt werden, ist der Titer der Lösung vor Gebrauch jeweils neu zu bestimmen. Als Urtiter für die Faktorbestimmung wird eine genau gewogene Menge Natriumoxalat verwendet.
Die Permanganometrie ist eine Methode der Redoxanalyse, bei der als Titrant Permanganat-Ionen verwendet werden. Diese sind starke Oxidationsmittel, die im Sauren in Gegenwart von Reduktionsmitteln zu Mangan(II)-Ionen reduziert werden. In neutraler oder schwach alkalischer Lösung erfolgt die Reduktion zum Mangan(IV)-oxid (Braunstein).
Versuch
Bestimmung von Eisen(III) in salzsaurer Lösung nach vorheriger Reduktion nach Jan-412V7
Laut Jander-Blasius darf Zinn(II)-chlorid nur in geringem Überschuss in der Lösung vorhanden sein. Bei der Zugabe der Quecksilber-Lösung sollte daher zwar noch eine deutlich erkennbare, aber doch möglichst geringe Menge an Niederschlag entstehen, da mit zunehmender Niederschlagsmenge ein etwas erhöhter Permanganat-Verbrauch resultiert. Was könnte der Grund dafür sein und warum müssen örtliche Permanganat-Überschüsse vermieden werden?
Anmerkung: im endgültigen Liebig-Lab wird auch die Konduktometrie an den Metrohm-Titrierständen ausgeführt.
Die in den Vorversuchen ermittelte unterschiedliche spezifische Leitfähigkeit verschiedener Ionen ist die Grundlage der Konduktometrie (Leitfähigkeitstitration).
Versuch
Für den Versuch stehen Magnetrührer, ein Konduktometer LF 537 mit Leitfähigkeitsmesszelle TetraCon 96, Stativ, Bürette, Bechergläser, und Magnetrührstäbchen zur Verfügung.
Füllen Sie in ein 300-mL-Becherglas 5 mL Säure und ca. 250 mL Wasser und fügen Sie das Magnetrührstäbchen hinzu. Stellen Sie das Becherglas auf den Magnetrührer, tauchen Sie die Messzelle vollständig (der Temperaturmessfühler befindet sich mindestens 1 cm unter der Lösungsoberfläche) in die Lösung und positionieren Sie die Bürette. Messfühler und Bürettenhahn befinden sich an gegenüberliegenden Becherglaswänden. Schalten Sie den Magnetrührer ein und notieren Sie die Leitfähigkeit. Zum Einschalten des Konduktometers ist es notwendig, das Gerät zunächst für zwei Minuten laufen zu lassen und dann für kurze Zeit auszuschalten. Anschließend die µS/cm-Taste und die Einschalt-Taste gleichzeitig drücken (Bedienungsanleitung am Arbeitsplatz).
Titrieren Sie in 0,5-ml-Schritten mit 0,1 m Natronlauge und notieren Sie die Leitfähigkeiten solange, bis über den Äquivalenzpunkt hinaus gemessen wurde.
Stellen Sie die Titrationskurven graphisch dar und bestimmen Sie die Konzentrationen der Analyselösungen. Diskutieren Sie die unterschiedlichen Kurvenverläufe.
Die spezifische Leitfähigkeit von Ionen hängt von deren Größe in Lösung ab. Müssen dabei nicht diskrete Ionen transportiert werden, kann die Leitfähigkeit unerwartet hoch sein (Oxonium- und Hydroxid-Ionen). Das elektrochemische Potential bestimmt die Richtung einer freiwillig ablaufenden Redoxreaktion. Galvanische Zellen beruhen auf freiwillig ablaufenden Redoxreaktionen, deren Umkehrreaktion durch Elektrolyse erzwungen werden kann. Potentialdifferenzen hängen von den Konzentrationen der Lösungen ab, oft auch vom pH-Wert. Die Nernstsche Gleichung ermöglicht es, beide Fälle zu berechnen.
Wie hängt die Leitfähigkeit mit dem Ionenradius zusammen? Worauf beruht die hohe Ionenleitfähigkeit der H+ und OH- Ionen?
Wie sind die Metalle in der elektrochemischen Spannungsreihe geordnet? Wo stehen starke Reduktionsmittel, wo starke Oxidationsmittel?
Was versteht man unter der EMK einer Zelle?
Welche Gleichung beschreibt die Abhängigkeit des Redoxpotentials von der Konzentration?
Berechnen Sie das Wasserstoffpotential bei den pH-Werten 7 und 14.
Wie hängt das Potential des Permanganats vom pH-Wert ab?
Erklären Sie das von Familie Galvani beobachtete Phänomen.
Erklären Sie das Prinzip der von Ihnen durchgeführten Konduktometrie.
In diesem Versuch wird Chinhydron synthetisiert, welches im nächsten Versuch Verwendung findet.
Versuch
Im Reagenzglas werden 3 ml einer 0,3 M FeCl3-Lösung mit 3 ml 0,3 M Hydrochinon-Lösung gemischt. Nach kurzer Zeit tritt Ausfällung des dunkelgrünen Chinhydrons ein. Evtl. Umkristallisation und Schmelzpunktbestimmung.
Schreiben Sie die Grenzformeln für das monomere Reaktionsprodukt.
Was ist ein Charge-Transfer-Komplex? Formulieren Sie den dimeren Charge-Transfer-Komplex, der hier ensteht.
Das Potential von Redoxsystemen, bei denen Protonen oder Hydroxidionen gebraucht werden, ist pH-abhängig.
Versuch
Zuerst wird eine 0,08 M HCl-Lösung hergestellt. Diese wird nun mit einer 0,08 M KCl-Lösung auf 0,04 M, 0,02 M, 0,01 M und 0,005 M verdünnt. Nach der Messung des pH-Wertes jeder Lösung wird eine Spatelspitze Chinhydron (1:1 Mischung Chinon/ Hydrochinon) dazugegeben. Mittels einer Pt-Elektrode wird das Potential jeder Lösung gegen eine Referenzelektrode gemessen.
Tragen Sie das Potential gegen den pH-Wert auf. Wie groß ist die Steigung der Geraden und welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Potential und dem pH-Wert? Welche biochemische Bedeutung hat das Chinon-Hydrochinon System?