Hoffnung für Depressive - Neuer Ansatz vereinfacht Wirkstoffsuche

30.09.2011

Psychische Krankheiten wie Depressionen, Zwangsneurosen oder Angstzustände beruhen oft auf Störungen im Stoffwechsel des Botenstoffs Serotonin. Der sogenannte Serotonin-Transporter (SERT) reguliert die Konzentration von Serotonin bei der Signalübertragung im Nervensystem. Daher ist SERT der Hauptangriffspunkt für Arzneistoffe zur Behandlung dieser Krankheiten und die Suche nach neuen SERT-Inhibitoren von großer therapeutischer Relevanz.

Professor Klaus Wanner vom Department Pharmazie des Zentrums für Pharmaforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München konnte nun zeigen, dass eine von seiner Gruppe entwickelte Screeningmethode - ein sogenannter MS-Bindungsassay - die Untersuchung potenzieller SERT Inhibitoren deutlich vereinfacht. Der entscheidende Vorteil der Technik: als Marker können natürliche Stoffe eingesetzt werden, sodass im Gegensatz zu bisher etablierten Methoden nicht mit Radioaktivität gearbeitet werden muss. Die Wissenschaftler stellen die Methode am 4. Oktober in der Fachzeitschrift ChemMedChem vor, die die Publikation als "very important paper" einstufte und diesem Thema auch ihre Titelseite widmet.

Für die Wirkung vieler potenzieller Medikamente ist es wichtig, dass der Wirkstoff effizient an seinen Zielort im Organismus bindet - beispielsweise an ein Enzym oder ein Membranprotein. In Bindungsexperimenten wird daher mithilfe sogenannter Marker die Affinität potenzieller Wirkstoffe zum Zielmolekül - dem sogenannten Target - untersucht. Dabei werden das Zielmolekül, ein Marker, der möglichst selektiv und mit hoher Affinität an das Zielmolekül bindet, sowie die zu untersuchende Substanz zusammengegeben. Der potenzielle Wirkstoff konkurriert mit dem Marker um die Bindungsstelle und je mehr er diesen davon verdrängt, desto höher ist seine eigene Affinität - und damit seine Wirksamkeit. Bei den von der Gruppe um Wanner entwickelten MS-Bindungsassays werden die Marker mithilfe der Massenspektrometrie quantifiziert. Im Gegensatz zu anderen Techniken wie etwa Radioligand-Bindungsstudien müssen die in MS- Bindungsassays eingesetzten Marker keine radioaktiven Isotope enthalten, sondern können in ihrer "nativen", also unveränderten, Form eingesetzt werden. "Diese label-freie Technik besitzt alle Vorteile klassischer Bindungsstudien, jedoch ohne den Nachteil, dass mit Radioaktivität gearbeitet werden muss", erklärt Wanner. Sein Team hat nun die MS- Bindungsassays für die Suche nach neuen SERT-Inhibitoren etabliert. "Da SERT die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt reguliert, ist SERT das wichtigste Zielmolekül bei der Behandlung von Depressionen, Zwangsneurosen und Angststörungen", sagt Wanner. Mit dem bekannten Antidepressivum (S)-Fluoxetin als nativem Marker konnte Wanners Gruppe nachweisen, dass die Ergebnisse der MS-Bindungsstudien gut mit entsprechenden Radioligandbindungsstudien korrelieren. Inzwischen kommt der MS-Bindungssassay routinemäßig für das Screening nach weiteren pharmakologisch relevanten SERT-Inhibitoren zum Einsatz. Zudem plant Wanner, auch für weitere medizinisch interessante Targets MS- Bindungsstudien zu etablieren. (göd)

Publikation: (S)- and (R)-Fluoxetine as Native Markers in Mass Spectrometry (MS) Binding Assays Addressing the Serotonin Transporter. M. Hess, G. Höfner, K. Wanner. ChemMedChem. 2011, 10. First published online 26. Juli 2011 Doi: 10.1002/cmdc.201100251