Cellulose stellt ein vom Menschen bereits seit Jahrtausenden vielseitig verwendetes Material dar. Der Weg der Cellulose als Begleiter des Menschen beginnt schon in der Prähistorie. Das Erzeugen von Feuer durch Anzünden von cellulosischen Fasern ist wohl die bedeutsamste Verwendung von Cellulose in der Menschheitsgeschichte gewesen. Doch nicht nur für die Erzeugung von Energie sollte der Mensch die Cellulose gebrauchen.
Schon um 4500 v.Chr. gab es den ersten Anbau von Hanf in China und Südostasien, um dessen Fasern in Form von Seilen und Schnüren zu verwenden. Auch die Verspinnung von Baumwolle und Leinen in Ägypten und Indien ist heute noch nahezu der gleiche Prozess seit ca. 3000 v. Chr. Bereits 105 n. Chr. wurde am Hof des Kaisers von China von Ts'ai Lun das als Schreibgrundlage dienende Papyrus durch Papier, hergestellt aus verschiedensten Bastfasern, ersetzt. Dies war die Geburtsstunde der Papierproduktion, und auch bis heute ist Cellulose das wichtigste Material für die Schriftdokumentation geblieben.
Den Übergang von der Naturfaser zur Chemiefaser gelang erstmals Graf Chardonnet im Jahre 1884. Er entwickelte eine Methode, um aus gelöster Cellulose künstliche Seide herzustellen. Die Grundidee dieser Erfindung war es, Cellulosefasern zu schaffen, die in ihren Eigenschaften von denen der pflanzlichen Fasern abwichen, um zum Beispiel die Faserlänge und die Stoffeigenschaften durch das Verspinnen zu verändern. Natürliches Vorbild der Kunstfaserherstellung war dabei die Seide, deren angenehmes Tragegefühl die Folge sehr feiner Fäden ist. Mit diesem Grundgedanken befasst sich auch der Kupferseideprozeß, der im dritten Kapitel dieser Arbeit näher erläutert wird.
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Abb.1: Baumwolle und Holz als Rohstoffe [Blume et al. 1996] |
Cellulose ist der wesentliche Bestandteil pflanzlicher Zellwände und somit das am häufigsten vorkommende Kohlenhydrat. Insgesamt erzeugt die Pflanzenwelt geschätzte 200 Milliarden Tonnen fotosynthetisch hergestellte Biomasse; darunter überwiegen mengenmäßig die Polysaccharide, von denen wiederum die Cellulose mit rund 90% den Löwenanteil ausmacht.[Laube 2001] In der Pflanzenzelle übernimmt es die Stützfunktion und kann einmal gebildet von der Pflanze nicht wieder abgebaut werden. Dadurch sammeln sich im Gewebe der Pflanzen immer größere Mengen Cellulose an ein ständig nachwachsender Rohstoff.
Im Holz sorgen neben der Cellulose die sogenannten Hemicellulosen sowie Pektine und Lignin für Stabilität. Der Anteil der Begleitsubstanzen ist je nach Pflanze unterschiedlich. Pflanzenfasern wie Baumwolle, Flachs und Hanf bestehen aus nahezu reiner Cellulose, im Holz beträgt ihr Massenanteil ca. 50 %, Stroh enthält ca. 30 %. [Blume et al. 1996] Holz enthält zusätzlich große Mengen an Ligninen und Hemicellulosen, Stroh und Gräser enthalten zudem Kieselsäure. Bei der Gewinnung der Textilfaser Baumwolle fällt Baumwollwachs als Nebenprodukt an.
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Abb.2: Flachsblüte und -ernte [Blume et al. 1996] |
Die größte Menge wird für die Papierherstellung verwendet. Für die chemische Industrie werden dagegen nur etwa 4 Millionen Tonnen verbraucht vor allem für die Herstellung von Fasern und Membranen. Hierbei nutzt man aus, dass Cellulose mit bestimmten Stoffen Lösungen bildet, aus denen man Fäden spinnen oder Membranen herstellen kann (siehe Kapitel 3.3 Technisches Verfahren). Cellulose gewinnt als nachwachsender Rohstoff immer mehr an Bedeutung. Damit beschäftigt sich auch das Fachgebiet der "Green Chemistry", auf deutsch die "Nachhaltige Chemie".
Hemicellulosen ("Polyosen" genannt) unterstützen in den pflanzlichen Zellen die Gerüstsubstanz Cellulose. Im Unterschied zur Cellulose, bestehen sie in unterschiedlicher Zusammensetzung aus den Monosaccharid-Bausteinen, Galactose, Mannose, Arabinose, Xylose (siehe unten). SSo können zudem Verzweigungen in ihrer Struktur aufweisen. In der Regel sind die Polymerisationsgrade der Polyosen mit DP 50-250 geringer als die der Cellulose. Ihre unregelmäßige Struktur erschwert die Ausbildung geordneter Bereiche; daher sind Polyosen im allgemeinen flexibler und leichter löslich. Aufgrund ihrer verzweigten Struktur sind die Polyosen im Gegensatz zur kristallinen Cellulose amorph und in Alkalien, verdünnten Säuren und zum Teil in Wasser löslich. Sie reduzieren Fehlingsche Lösung nicht und werden durch Enzyme wie die sogenannten Hemicellulasen (Polyasen) durch Pilze z.B. beim Verrotten von Holz - bzw. durch Säurehydrolyse zu einfacheren Zuckern abgebaut. Die Polyosen sind leichter hydrolysierbar und für Pflanzenfresser leichter verdaulich als Cellulose.
Lignine sind als höhermolekulare Abkömmlinge des Phenylpropans aufzufassen. Je nach Holzart ist der Phenyl-Ring mit ein bis zwei Methoxy-Gruppen und die Propan-Einheit mit Hydroxy-Gruppen substituiert. Bei Nadelhölzern findet sich ausschließlich der Guajacyl-Typ (vgl. Guajakol), bei Laubholz außerdem der Syringyl- (vgl. Syringasäure) und Cumar-Typ. Durch verschiedene Verknüpfungsmöglichkeiten entstehen auch Lignan- und Cumarin-Strukturen, cyclische Ether, Lactone. Allein 16 verschiedene Basiseinheiten können so in Nadelhölzern auftreten. Lignin übernimmt im Holz Schutzfunktion gegenüber hydrolytischem und biologischem Abbau und wirkt als starre Panzersubstanz, die große Druckkräfte aufnehmen kann.
Der Polymerisationsgrad bezeichnet die Anzahl der im Makromolekül enthaltenen Monomerbausteine. Diese Angabe ist immer ein Mittelwert, da die Moleküle keine einheitliche Kettenlänge aufweisen. Die Kurzbezeichnung für den Polymerisationsgrad ist "DP" (Degree of Polymerization). Bei Cellulose gibt DP die Zahl der Anhydroglucose-Bausteine in einer Cellulosekette an, obwohl die Wiederholungseinheit im engeren Sinne unter Berücksichtigung der räumlichen Orientierung zwei Anhydroglucoseeinheiten (eine "Cellobiose"-Einheit) umfasst.
(Kupferkunstseide, kurz: Cupro)
Historische Bezeichnung für die um 1890 von dem Franzosen Despaissis entwickelte Kunstseide aus regenerierter Cellulose. Cellulose wird in einer Kupferlösung gelöst. Fälschlicherweise als Seide (Protein) bezeichnet, obwohl Cellulose ein Kohlenhydrat ist.
Abb.3: Baumwolle [Blume et al. 1996]
Baumwolle besteht aus den Samenhaaren der Baumwollpflanze (Gossypium sp.). Die Samenhaare umgeben den Samen, der nach der Blüte der Baumwollpflanze gebildet wird. Ist die Pflanze verblüht, platzt die Blütenkapsel auf und die Samenhaare die Baumwollfasern quellen heraus. Diese Büschel werden dann gepflückt und weiterverarbeitet.
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Abb. 4: Baumwollpflanze [Blume et al. 1996] | Abb. 5: Baumwollbüschel [Blume et al. 1996] |
Die Baumwollpflanze wird hauptsächlich in den Tropen und Subtropen angebaut, da sie während der Wachstumsperiode viel Feuchtigkeit und zum Reifen viel Wärme braucht. Vom Aussähen bis zum Ernten vergehen 17 bis 22 Wochen.
Die Anbau- und Erntemethoden sind in den Erzeugerländern verschieden. Oft werden die reifen Baumwollkapseln per Hand gepflückt, wobei die unreifen Kapseln nachreifen können und zu einem späteren Zeitpunkt geerntet werden. Dies ergibt, im Gegensatz zur maschinellen Ernte, bei welcher alle Baumwollkapseln gleichzeitig gepflückt werden, eine höhere Qualität der Baumwolle.
Abb. 6: Baumwollpflücker [Blume et al. 1996]
Die so geerntete Baumwolle wird dann zunächst einen Monat gelagert, bevor sie entkernt wird. So erhält man schließlich aus 100 kg Baumwolle 35 kg Fasern, 62 kg Samenkörner und 3 kg Abfall.
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Qualitätsmerkmal der Baumwolle ist ihre Faserlänge. Diese liegt zwischen 18 und 42 mm. Die höchste Qualitätsstufe für die Verwendung in der Textilindustrie von 39 mm und länger erreichen nur 23% der Welternte. Der Rest wird zum Beispiel für die Herstellung von Papiertaschentüchern verwendet. Baumwoll-Linters sind nicht verspinnbare, sehr kurze Baumwollfasern. Sie werden in einem zweiten Schnitt gewonnen, indem man die Baumwollkapseln quer durchschneidet und den unteren Teil zu Linters verarbeitet. In gebleichter und gebeuchter Form werden Baumwoll-Linters vor allem als Rohstoff für Kupferseidefasern eingesetzt. |
Abb. 7: Baumwolllänge [Blume et al. 1996] |
Eigenschaften der Baumwollfasern:
Durch Behandlung der Baumwollfasern mit Kunstharzen können diese knitterfrei, formstabil und pflegeleicht ausgerüstet werden. Dies ist aber äußerst umstritten, da Kunstharze Allergien hervorrufen können.