[Faust 1935; Pummerer 1953; Roth 1939; Weltzien 1930; Winnacker 1960]
Für den Kupferseideprozess werden vorwiegend Baumwoll-Linters (kurze, nicht verspinnbare Baumwollfasern) als Rohmaterial eingesetzt; Holzzellstoffe liefern nur Fäden mit mäßiger Festigkeit. Die Baumwoll-Linters werden vor der Verarbeitung mechanisch und chemisch (Beuche und Bleiche) gereinigt.
Die Beuche entfernt Verunreinigungen, insbesondere niedermolekulare Kohlenhydrate. Hierbei werden die Baumwoll-Linters in Beuchekessel gegeben, in denen sie mit einer zwei- bis fünfprozentigen Natronlauge unter Druck bei circa 120150 °C unter Sauerstoffausschluss behandelt werden.
In der Bleiche wird in Bleichbehältern Chlorkalklauge (mit 1 gL–1 aktivem Chlor) bis zu vier Stunden durch die Baumwolllinters-Suspension gepumpt. Nach der Bleiche wird das Material (Bleichlinters) gewaschen.
Die Löslichkeit des gereinigten Baumwoll-Linters in Schweizers Reagenz kann durch folgende Verfahren optimiert werden:
Es gibt verschiedene Verfahren, Cellulose in Schweizers Reagenz zu lösen:
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Abb. 24: Apparatur von E. MERTZ: Die im Behälter a befindliche Ammoniakflüssigkeit wird durch Injektor A angesaugt und als Brause B über die in dem geschlossenen Raum D auf Sieb E befindlichen Kupferspäne b gesprüht. Dabei löst sich Kupfer als Kupferoxydammoniak auf, und die Lösung fließt nach dem Behälter a zurück. Im Raum D aus der Flüssigkeit entweichende Ammoniakdämpfe werden durch Rohr 2 zum Behälter F geleitet und in diesem durch Wasser absorbiert. Nicht absorbierte geringe Reste können entweder durch Hahn 3 in die Luft oder in vorgelegte Schwefelsäure geleitet werden oder noch zweckmäßiger durch Hahn 4 mit der Frischluft durch Injektor A zum Behälter a geführt werden. Die Behandlung wird fortgesetzt, bis die Kupferoxydammoniaklösung in a eine spezifische Masse von 1,004–1,005 g cm–1 bei +20 °C erreicht hat. |
Abb. 24: Apparatur von E. MERTZ [Hottenroth 1930] |
Die Herstellung von Cellulosefäden ist ein Nassspinnverfahren (Abb. 25). Die hochviskose Celluloselösung wird durch geeignete Spinndüsen unter Sauerstoffausschluss (Oxidation!; s. Abb 26) in Fällbäder (sauer, neutral oder alkalisch) gepresst und der koagulierende (vgl. Koagulation) Faden über ein Rollensystem aufgewickelt. Dabei wird der Faden leicht gestreckt (Streckspinnverfahren). Man kann sich vorstellen, dass die Cellulosemoleküle, die zum Teil noch gefaltet und unorientiert vorliegen, gestreckt und ausgerichtet werden (s. Abb. 27, 28), wobei der Faden eine höhere Festigkeit erhält.
Abb. 25: Schema einer Nassspinnanlage [Winnacker 1960]
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Abb. 26: Aufbau einer Spinndüse [Schulz 2000] | Abb. 27: Cellulosemoleküle, gefaltet [Schulz 2000] | Abb. 28: Cellulosemoleküle, gestreckt [Schulz 2000] |
Beim Nassspinnverfahren unterscheidet man zwei Fällverfahren:
Auf das Fällbad folgt das Wasserbad, in dem der Spinnfaden weiter gestreckt und vor allem von der Fälllauge frei gewaschen wird, bevor er ins Starksäurebad eintaucht. Dieses ist mit Schwefelsäure gefüllt und führt zur Entkupferung des Spinngutes. Danach wird der Spinnfaden in weitere Säurebäder eingeführt, die mit einer abnehmenden Konzentration an Schwefelsäure gefüllt sind. Auf diese Weise wird der Spinnfaden fast vollständig entkupfert. Nachdem der Spinnfaden in einem Wasserbad säurefrei gewaschen wurde, besteht er jetzt aus reiner Regeneratcellulose.
Textile Fäden werden über Spinntrichter in Wasser eingesponnen. Es bildet sich keine Normannsche Verbindung, sondern Cupricellulosat. Der gesponnene Faden verfestigt sich erst langsam auf dem Weg der Fallstrecke.
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Als Nachbehandlung durchläuft das Spinngut nun nur noch die Avivage mit einem Weichmacher (Glycerin, 4 %ig), der für eine bessere Flexibilität des Fadens sorgt. Abschließend wird der Faden auf eine Haspel oder Spule aufgewickelt und getrocknet (Abb. 30). Bei Verwendung eines unpolaren Lösungsmittels für die Herstellung der Hohlfasern müssen diese noch ausgewaschen werden. |
Abb. 30: Aufspulen des Fadens [Membrana 2001] |
Das folgende Schema des MEMBRANA-Spinnverfahrens soll einen Überblick schaffen:
Abb. 31: MEMBRANA-Spinnverfahren
Der Kupferseideprozess ist im folgenden Schema zusammengefasst.
Abb. 32: Kontinuierliches Cuoxamverfahren [Winnacker 1960]
Erklärung des Schemas:
Das kontinuierliche Spinnverfahren fasst die drei Verfahrensabschnitte zusammen. Im ersten Verfahrensabschnitt, der Rohstoffvorbehandlung, gelangt der gebeuchte Linters vorerst in den Zerfaserer (a) und wird mechanisch zerkleinert. Im Bleichturm (b) wird mit Chlorkalklauge gebleicht und in der Rührbütte (c), die einem Mahlholländer gleichkommt, wird der gebleichte Linters zu einem Brei verrieben. Über die Stoffpumpe (d) gelangt der Cellulosebrei in den Zellenfilter (e) und danach in den Reißwolf (f), wo noch ein weiterer mechanischer Aufschluss erfolgt.
Im zweiten Verfahrensabschnitt, dem Löseverfahren, wird Kupfersulfat, Natronlauge, Ammoniak und der vorbereitete Linters in den Lösekessel gegeben, der diese Substanzen kräftig miteinander verrührt. Durch dosierte Zugabe von Luft kann die Viskosität der Celluloselösung eingestellt werden. Die Celluloselösung durchläuft nun die Filterpressen (h) und wird in den Spinnkesseln (i) mit Vakuum behandelt.
In meist sehr langen Leitungen wird die fertige Cellulose- oder Spinnlösung zur Spinnerei geleitet.
Über aneinander geordnete Spinntrichterreihen wird die Spinnlösung in der Spinnmaschine (k) ins Fällbad (l) gepresst. Dort koaguliert (vgl. Koagulation) sie und wird beim Abtransport über das Faserband gestreckt. In den folgenden Nachbehandlungsbäder (m) wird entkupfert und gründlich mit enthärtetem Wasser säurefrei gespült. Folgend wird das Spinngut im Schlichteauftrag (o) geseift und aviviert (vgl. Avivage). Im Trockenzylinder werden die Fäden durch ein Luftgebläse getrocknet. Nach dem Durchlauf durch das Schärriet (q)(vergleichbar mit einem Kamm) und durch die Schärmaschine (s) ist der Kupferseidefaden für den Versand fertig.
Für die Wirtschaftlichkeit des Kupferspinnverfahrens ist die Rückgewinnung der teuren Rohchemikalien (Cu, NH3) entscheidend. Dafür stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:
Abb. 33: Kupfer- und Ammoniakrückgewinnung beim Cuoxamverfahren [Winnacker 1960]